Schwarze Nullen und schwarze Kassen

von Redaktion

Eine Fehde zwischen dem SPD-Politiker Kahrs und der AfD überschattet die Debatte über den sechsten Bundeshaushalt in Folge ohne neue Schulden. Aber es geht auch sachlich – und da sehen einige bei den Milliardenausgaben Dornen hinter (noch) blühenden Rosen.

VON GEORG ISMAR

Berlin – Der SPD-Politiker Johannes Kahrs liebt das Duell. Der Hamburger, Oberst der Reserve, hat einen Lieblingsfeind, die AfD. Und so geht es im Deutschen Bundestag am Dienstag plötzlich nicht mehr um die Schwarze Null, also den sechsten Bundeshaushalt in Folge ohne neue Schulden, sondern um Schwarze Kassen. Bis hin zu einer unappetitlichen Affäre, die einst die SPD erschütterte.

Den Auftakt zu den abschließenden Beratungen über den Haushalt 2019 mit Rekordausgaben von 356,4 Milliarden Euro macht der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Peter Boehringer, von der AfD. „Die plakative schwarze Null ist erneut nur durch Tricksereien, Auslassungen und Sondereffekte zustande gekommen.“ Deutschland zahle viel zu viel für die EU, über 30 Milliarden Euro, zudem würden in aller Welt sinnlose Entwicklungsprojekte finanziert. Das sei ein Bundeshaushalt von „Weltbeglückung und Hybris“.

Dann kommt Kahrs. Und er ledert gleich los. Man habe ja jetzt viel Unsinn gehört. Ihn würde vielmehr interessieren, wo die schwarzen Kassen der AfD herkommen und von wem Fraktionschefin Alice Weidel finanziert werde. Gemeint sind die mysteriösen Großspenden aus der Schweiz (130 000 Euro) und den Niederlanden (150 000) an Weidels Kreisverband am Bodensee. „Sie kümmern sich nur um Ihr Schwarzgeld aus dem Ausland, aber Sie kümmern sich nicht um die Menschen in diesem Land. Und das ist schäbig“, wettert Kahrs.

Sachlichen Streit gibt es aber auch an diesem Tag. Das Dilemma der SPD ist, dass der zuständige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht einmal die eigenen Leute begeistert. Beim Koalitionspartner CDU/CSU rührt sich kaum eine Hand nach seiner Rede zum Applaus, bei der SPD ist der Beifall müde. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war keine 30 Minuten im Plenum. Als Scholz redet, ist sie schon wieder weg.

Dabei ist es nach dem hastig zusammengebauten Haushalt 2018 der erste komplett von der neuen Großen Koalition erstellte Etat. Noch nie wurde so viel ausgegeben – aber trotzdem können sogar die Schulden von derzeit rund zwei Billionen Euro (26 520 Euro pro Kopf) etwas abgebaut werden. Aber es mehren sich dunkle Wolken.

„Wir sehen, das globale Wirtschaftswachstum verliert an Dynamik, und die Konjunkturprognosen zeigen, die Luft nach oben wird dünner“, sagt Scholz. Und das macht den Haushalt, darunter ein Entlastungspaket mit mehr Kindergeld, Steuerrabatten und höheren Grundfreibeträgen in Höhe von 9,8 Milliarden Euro, so riskant.

Denn gerade die Renten- und andere Sozialverbesserungen, dazu mehrere Milliarden für das Baukindergeld, binden auch künftige Regierungen – fast hundert Milliarden Euro gehen als Bundeszuschuss schon heute in die Rente. Und die Menschen werden älter und die Beitragszahler weniger. Was, wenn es zum Abschwung kommt?

Entsprechend hart geht der FDP-Haushälter Otto Fricke mit der Koalition ins Gericht. Deutschland sei bisher auf Rosen gebettet. „Aber wer glaubt, sich auf einem Rosenbett ausruhen zu können, der vergisst, dass darunter Dornen liegen“, sagt Fricke. Er  vermisst vor allem echte Entlastungen, etwa die vollständige Abschaffung des „Soli“.

Die Grünen-Politikerin Anja Hajduk greift einen anderen Punkt auf, der dem Bund mehr Einnahmen bringen könnte. „Deutschlands Blockadehaltung bei der Digitalsteuer passt nicht zu einem Aufbruch für Europa“, kritisiert Hajduk mit Blick auf die riesigen Umsätze der US-Konzerne mit Daten der Bürger. „Ich finde das beschämend.“ Berlin lasse Frankreich hier hängen.

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