Istanbul/Paris – Die Türkei muss den seit rund zwei Jahren inhaftierten Oppositionspolitiker Selahattin Demirtas aus der Untersuchungshaft entlassen. Das urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg. Das Gericht befand, dass für die Verhaftung des ehemaligen Vorsitzenden der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP zwar begründeter Verdacht bestand. Allerdings sei die Länge der Untersuchungshaft nicht gerechtfertigt. Demirtas müsse so schnell wie möglich aus der Untersuchungshaft entlassen werden – es sei denn, die Türkei trage neue Gründe und Beweise für die Inhaftierung vor.
HDP-Politiker reagierten auf einer Fraktionssitzung im Parlament in Ankara mit spontanem Jubel und Klatschen auf die Entscheidung der Richter. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Türkei muss sich grundsätzlich an das Urteil halten, beide Seiten können aber innerhalb von drei Monaten die Verweisung an die Große Kammer des EGMR beantragen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bezeichnete das Straßburger Urteil jedoch in einer ersten Reaktion als nicht bindend.
Nach sieben Monaten in Untersuchungshaft stand am Dienstag in der Türkei erneut ein Deutscher wegen angeblicher Verbindungen zu Terroristen vor Gericht. Der Kölner Sozialarbeiter und Journalist Adil Demirci war im April in während seines Urlaubs in Istanbul festgenommen worden.
Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci, der als freier Mitarbeiter auch für die linke Nachrichtenagentur Etha geschrieben hat, unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei vor. Der Kölner wies die Vorwürfe am ersten Prozesstag zurück: „Ich habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen“, sagte er. Für fünf der 22 in U-Haft sitzenden Angeklagten fordert der Staatsanwalt „Freilassung unter Auflagen“ – nicht aber für Demirci. dpa/afp