Brüssel – Die EU-Kommission hatte ihre Entscheidung gerade gefällt, da reagierte Italiens Innenminister via Twitter. Er fordere „Respekt“ von Europa für das italienische Volk, schrieb er und machte deutlich, dass er an den umstrittenen Finanzplänen festhalten will. Medien zitierten ihn mit dem Satz: „Der Brief aus Brüssel ist angekommen? Ich warte auch auf den vom Weihnachtsmann.“ An den Tatsachen ändert Salvinis strikte Haltung nichts. Die EU-Kommission hat Italiens Haushaltsplan für 2019 endgültig abgelehnt. Nun droht dem Land ein Defizitverfahren, das zu milliardenschweren Geldbußen führen kann.
Verstößt Rom gegen den EU-Stabilitätspakt?
Erlaubt ist ein Defizit von maximal drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Mit 2,4 Prozent bleibt Rom 2019 im Rahmen, die Neuverschuldung liegt aber dreimal so hoch wie von der Vorgängerregierung versprochen. Sorge bereitet Brüssel die Gesamtverschuldung: Diese sollte nach EU-Vorgaben 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Mit 131 Prozent oder 2,3 Billionen Euro ist Italiens Schuldenberg mehr als doppelt so hoch..
Wie geht es jetzt weiter?
Die Kommission stellte gestern fest, dass die Eröffnung eines Defizitverfahrens auf Basis der Verschuldung „gerechtfertigt“ sei. Nun beginnen Konsultationen mit den Euro-Staaten. Diese könnten das Defizitverfahren nur verhindern, wenn sie mehrheitlich dagegen stimmen, was nicht erwartet wird. Das Verfahren dürfte im Dezember oder Januar eröffnet werden.
Was droht Italien in einem Defizitverfahren?
An Ende könnten hohe Bußgelder stehen. Möglich sind bis zu 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Im Fall Italiens wären das bis zu 3,4 Milliarden Euro. Möglich ist auch, dass Italien Gelder aus den europäischen Strukturfonds gekürzt werden.
Sind Strafen schnell zu erwarteten?
Die Verfahren zum Defizitverfahren sind lang. Letztlich ist es auch eine politische Entscheidung, wie schnell der Prozess vorangetrieben wird. Macht die Kommission vor den Europawahlen im Mai 2019 massiv Druck, würde sie der populistischen Regierung in Rom Munition für Angriffe auf Brüssel liefern.
Gibt es Spielraum für Verhandlungen?
Rom fordert von Brüssel, „außergewöhnliche Ereignisse“ wie den Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua im August und die Schäden durch eine Serie verheerender Unwetter zu berücksichtigen. „Wir haben etwas Flexibilität“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici vergangene Woche dazu. Die Kommission könne die Haushaltsregeln aber nicht nur „halbwegs“ durchsetzen.
Ist eine Geldstrafe überhaupt wahrscheinlich?
Bisher hat die EU noch nie eine Geldbuße verhängt. 2016 war gegen Spanien und Portugal erstmals überhaupt ein Bußgeldverfahren in Gang gesetzt worden. Kommission und Euro-Finanzminister sahen dann aber von Geldstrafen ab – wegen der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage beider Länder.
Hat Italien im Haushaltsstreit Druckmittel?
Eskaliert der Streit mit den Populisten in Rom weiter, könnte die Handlungsfähigkeit der EU in Gefahr geraten. Denn in der Außen- und Sicherheitspolitik oder bei den EU-Finanzen müssen Entscheidungen in der EU einstimmig getroffen werden. Dies gilt etwa für die Verlängerung der EU-Marine-Mission „Sophia“ vor Libyen, die zum Jahresende ansteht, oder für die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die bis Ende Januar 2019 laufen. Auch beim Dezember-Gipfel geplante Entscheidungen zur Reform der Eurozone könnte Rom torpedieren. afp/dpa