Merkel – befreit und kämpferisch

von Redaktion

Angela Merkel wirkt gelöster als bei früheren Generaldebatten im Bundestag. Unverhofft könnte sie aber auf dem Parteitag in gut zwei Wochen ein Problem bekommen – mit dem UN-Migrationspakt.

VON ANTONIA HOFMANN UND RUPPERT MAYR

Berlin – Es ist Angela Merkels erster größerer Auftritt im Bundestag seit der Ankündigung ihres Rücktritts auf Raten am 29. Oktober. Der Verzicht auf den CDU-Vorsitz und die Ansage, das sei ihre letzte Legislaturperiode als Kanzlerin, sollte eigentlich ein Befreiungsschlag sein. Sie wollte wieder mehr Bewegungsfreiheit für das Regierungshandeln bekommen und sich nicht die ganze Zeit mit unionsinternen Querelen rumschlagen müssen. Doch nun könnte ihr ein Problem auf die Füße fallen, das eigentlich gar kein so großes zu sein scheint – der Globale Migrationspakt.

Merkel zeigt sich besorgt über wachsenden Nationalismus und verteidigt den UN-Pakt auch gegen Kritik in ihrer eigenen Partei. „Dieser Pakt für Migration, genauso wie der Pakt für Flüchtlinge, ist der richtige Antwortversuch, (…) globale Probleme auch international und miteinander zu lösen“, sagt sie. Die, die glauben, sie könnten alles alleine lösen, würden in Wahrheit nur an sich denken, sagte Merkel kämpferisch. „Das ist Nationalismus in reinster Form.“

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigt den Migrationspakt. Dieser sei in deutschem Interesse, sagt Dobrindt. Es würde „zum Teil sehr bewusst Panik“ wegen des Paktes verbreitet. Einer der CDU-Nachfolgekandidaten, Gesundheitsminister Jens Spahn, will, dass der Parteitag über den UN-Migrationspakt noch einmal debattiert. Das Abkommen soll bei einem Gipfel am 10. und 11. Dezember in Marokko besiegelt werden. Zudem ist ein weiterer Pakt zum Thema Flüchtlinge geplant. Auch Merkel betont, dass der Pakt in „nationalem Interesse“ sei, weil er die Bedingungen auf der Welt für Flucht und Arbeitsmigration verbessern könne. „Wir wollen, wenn in Katar Stadien gebaut werden, (…) dass die dort arbeitenden Bauarbeiter vernünftig behandelt werden, dass sie nicht ausgebeutet werden, dass es nicht Kinderarbeit gibt.“ Sie betont aber auch, dass der Pakt nicht rechtlich bindend sei und nationale Gesetzgebung nicht berühre. „Es wird übrigens nichts unterzeichnet, nichts unterschrieben, es ist nicht rechtlich bindend.“

Generell äußert sie sich in einer engagierten Rede besorgt über den Zustand der Welt, wo es wegen vieler Einzelinteressen und einer Rückkehr des Nationalismus zunehmend schwierig wird, globale Abkommen zu schließen. Die Welt des Kalten Krieges war schrecklich, „aber sie war übersichtlich“. Heute gebe es verschiedene Zentren, von denen nicht klar ist, wie sie miteinander interagieren werden. Es komme auf jedes Land an, ein starkes Europa sei für Deutschland entscheidend.

Beim Brexit-Vertrag mit Großbritannien setzt Merkel trotz schwieriger Kompromisse auf eine Zustimmung der 27 EU-Staaten. „Wir stimmen diesem Austrittvertrag zu“, so Merkel. „Wir haben noch einen Vorbehalt Spaniens“, sagt sie mit Hinweis auf die Gibraltar-Frage. Aber sie hoffe, dass es bis zum Brexit-Sondergipfel am Sonntag eine Lösung gebe. SPD-Chefin Andrea Nahles schlägt in die gleiche Kerbe und meint, der Ausstieg Großbritanniens aus der EU sei eine Zäsur. „Wir müssen mehr Zusammenarbeit wagen.“

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel nutzt die Debatte, um sich gegen Angriffe wegen dubioser Spenden aus dem Ausland zu verteidigen. „Moralische Vorhaltungen müssen wir uns von Ihnen überhaupt nicht machen lassen“, sagt sie am Rednerpult. „Kommen sie raus aus ihren Glashäusern und hören Sie auf, mit Steinen zu werfen, die sie nachher selber treffen“. Sie betont, das Geld sei zurückgezahlt worden.

Bei Gesamtausgaben von 356,4 Milliarden Euro sind für den Etat des Kanzleramts 3,24 Milliarden Euro für 2019 eingeplant. Am Freitag soll der Bundeshaushalt endgültig beschlossen werden. Wegen der sprudelnden Steuereinnahmen gibt es massive Kritik, dass Union und SPD die Bürger nicht stärker entlasten durch Steuersenkungen oder die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags.  FDP-Chef Christian Lindner kritisiert eine „unsolide“ Haushaltspolitik. „Baukindergeld, Mütterrente, Brückenteilzeit und, und, und – alles überwiegend konsumtive Ausgaben“, so Lindner. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter wirft der Großen Koalition Selbstbeschäftigung vor. Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht meint, die Koalition tue zu wenig für ärmere Schichten, das Klima im Land sei rauer, kälter und aggressiver geworden. An vielen gehe das Wachstum vorbei.

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