Berlin – Wieder eine Umfrage, rechtzeitig zur Halbzeit der insgesamt acht CDU-Regionalkonferenzen. Demnach kann Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Vorsprung im Rennen um den CDU-Vorsitz ausbauen. 38 Prozent meinen laut ZDF-„Politbarometer“ vom Freitag, dass sie Nachfolgerin von Angela Merkel als CDU-Chefin werden sollte. Drei Prozentpunkte mehr als vor zwei Wochen. Nach den Zahlen fällt der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz um vier Punkte auf 29 Prozent zurück. Und Gesundheitsminister Jens Spahn kommt nur auf sechs Prozent, minus eins.
Vorsicht ist angebracht. Es handelt sich um „potenzielle CDU-Wähler“. Die Parteimitglieder dürften auf die drei völlig anders reagieren. Und wieder anders werden sich wohl die Delegierten auf dem mit Spannung erwarteten Parteitag vom 6. bis 8. Dezember in Hamburg verhalten.
Für Schmunzeln sorgte am Donnerstagabend bei der vierten Regionalkonferenz in Halle an der Saale, dass bei der Auslosung der Startnummern für die Vorstellungsrunde wieder die gleiche Reihenfolge gezogen wurde, wie bei der ersten in Lübeck: 1 Kramp-Karrenbauer, 2 Merz, 3 Spahn. Und auch nach vier Runden ist weder die Auslosung ein Omen, noch die Umfrage eine Vorentscheidung.
Nach dem anfänglichen Hype um Friedrich Merz ist es etwas ruhiger geworden. Zumal er den einen oder anderen Rückschlag hinnehmen musste. Sei es, dass er von einer Grenzöffnung in 2015 sprach, was nicht der Fall war. Sei es, dass er eine Grundgesetzänderung im Asylrecht ins Gespräch brachte. Auch wenn er hier wieder zurückruderte, hat es ihm offensichtlich nicht sehr geschadet, zumindest im Osten.
Bei den mehreren Hundert CDU-Mitglieder, die am Donnerstagabend vor allem aus Sachsen und Sachsen-Anhalt nach Halle kamen, machte Merz durchaus seine Punkte. Etwa als er das kritische Echo auf seine Äußerungen zum Asylrecht als durch die Journalisten entstandenes Missverständnis abtat. Dabei unterstellen ihm viele, dass er das „Missverständnis“ provozierte, wohl wissend, dass hier viele CDU-Mitglieder die Flüchtlingspolitik Merkels sehr kritisch sehen.
Führende CDU-Vertreter warnen schon, die Migrations- und Flüchtlingspolitik sei nicht das wichtigste Thema für die Partei, und so könnten Merz die Einlassungen zum Asylrecht, sieht man die ganze CDU, eher abträglich sein. Die Entscheidung über den Parteivorsitz fällen nämlich die 1001 Delegierten in Hamburg. Sachsen entsendet den Angaben zufolge 30 Delegierte, Thüringen 24, Sachsen-Anhalt 18, Brandenburg 17 und Mecklenburg-Vorpommern 14, macht insgesamt gut zehn Prozent.
Spahn, der ähnlich wie Merz die Flüchtlings- und Migrationspolitik von Merkel angegriffen hatte, ging das Thema Ausländer in Halle etwas geschickter an. Er griff mit der deutschen „Leitkultur“ ein Thema auf, das Merz schon vor 15 Jahren gesetzt hatte. Jeder, der in Deutschland mitmachen wolle, sei herzlich willkommen, sagte Spahn. Kulturelle Unterschiede könnten bereichernd sein, aber nicht alle. Ehrenmord, Zwangsheirat, Antisemitismus – „das hat mit unseren Werten nichts zu tun“. Dafür erntete er großen Beifall.
Merz muss man zugestehen, dass er mit seiner Kandidatur das Rennen um die Merkel-Nachfolge für die CDU-Mitglieder spannend gemacht hat. Er hat verhindert, dass es ein mehr oder weniger langweiliges Duell zwischen Kramp-Karrenbauer und Spahn wird. Damit hat er der Sache, aber auch den Konkurrenten einen Gefallen getan. Sie müssen sich jetzt mehr anstrengen. Und gerade der Merkel-Vertrauten Kramp-Karrenbauer verschaffte er bis zu einem gewissen Grad die Möglichkeit, sich schärfer zu profilieren.
Manche sehen das Rennen auf ein Duell Kramp-Karrenbauer und Merz konzentriert. Andere warnen jedoch, Spahn zu früh abzuschreiben. Die restlichen vier Konferenzen sind im Westen: Böblingen, Düsseldorf, Bremen und Berlin. Da kann noch einiges passieren.
Auch die Variante, dass ein abgeschlagener Spahn auf dem Parteitag eine Empfehlung für Merz aussprechen könnte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Gerade Spahn hatte sich über die Kandidatur von Merz am meisten geärgert. Denn sie tummeln sich in einem ähnlichen politischen Terrain. Besonders bitter: Spahns Freunde von der Mittelstandsvereinigung haben sich auf die Seite von Merz geschlagen.