Zwischenfall an der Krim

Gefährliche Manöver

von Redaktion

ALEXANDER WEBER

Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit, und der aktuelle Zwischenfall in der Straße von Kertsch, der Verbindung zwischen Schwarzem Meer und dem Asowschen Meer, könnte ein weiteres Kapitel zu dieser Erkenntnis beitragen. Denn noch ist völlig unklar, was die russische Marine bewogen hat, drei ukrainische Militärschiffe bei der – legalen – Durchfahrt aufzubringen, zu beschießen und zu kapern. Was soll man unter „gefährlichen Manövern“ verstehen, die Moskau zur Begründung des Einschreitens anführt? Wollten die Ukrainer etwa die Brücke zur Krim rammen? Oder ist dies nur ein weiterer Fall von Schikane, die Russland seit der Annexion der Krim mit der massiven Behinderung des Schiffsverkehrs zu den ostukrainischen Häfen betreibt, insbesondere Mariupol, und dort bereits zu beträchtlichen wirtschaftlichen Nachteilen geführt hat? Außenpolitische Nadelstiche und Muskelspiele sind für den unter erheblichem Beliebtheitsverlust leidenden Präsidenten Putin stets ein probates Mittel der Ablenkung.

Aber auch sein ukrainischer Gegenspieler Poroschenko weiß die Situation für sich zu nutzen. Mit der Beantragung des Kriegsrechts hat er ein starkes Instrument, um außenpolitische Führungskraft zu demonstrieren und gleichzeitig nach innen freie Hand zu haben – etwa mit dem Verbot von Demonstrationen. Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl in der Ukraine ist der Kiewer Präsident nämlich so unbeliebt wie sein Pendant im Kreml.

Alexander.Weber@ovb.net

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