Böblingen – Zehn Minuten redet Friedrich Merz auf der Bühne, da stehen sie in Böblingen plötzlich von ihren Stoffstühlen auf. Der Wettkampf um die Nachfolge von CDU-Chefin Angela Merkel geht in den Endspurt. Und Friedrich Merz schaltet auf Angriff. Am Dienstagabend warnt er vor einer Sozialdemokratisierung der Union. „Wir müssen doch nicht alle Positionen übernehmen, die die Sozialdemokraten richtig finden“, ruft er der Basis zu. Im konservativen Ländle kommt das gut an. Merz erntet viel Applaus.
Diesmal also Böblingen, im Herzen Baden-Württembergs – einstige Bastion der Konservativen, ehemaliges Stammland der CDU. Mittlerweile ist man hier nur noch Juniorpartner der Grünen.
Am Nachmittag schauen die drei aussichtsreichsten Kandidaten, CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und eben Friedrich Merz in Stuttgart der CDU-Fraktion vorbei, um für sich zu werben, nacheinander, je 30 Minuten.
Insgesamt geht es munter zu im Ländle. Kramp-Karrenbauer und Merz streiten weiter offen über den Umgang der eigenen Partei mit der AfD. Merz hatte mit der Aussage, die CDU habe die AfD-Wahlerfolge „mit einem Achselzucken“ zur Kenntnis genommen, Kritik auf sich gezogen. „Wenn es in der Pauschalität formuliert wird, wie es formuliert worden ist, dann trifft es viele, viele in der CDU zu Unrecht“, sagt die Kontrahentin. Wer solche Vorwürfe macht, müsse Ross und Reiter nennen. Merz kontert: „Das werde ich deswegen nicht tun, weil ich keine pauschalen Vorwürfe erhoben habe.“
Die Kandidaten fassen sich nicht mehr mit Samthandschuhen an. Der Umgang mit der AfD ist eine Kernfrage für die Zukunft der CDU nach den historischen Wahlverlusten in Bund und Ländern. Alle drei Kandidaten rufen immer wieder zur Geschlossenheit auf. Man brauche weniger Streit und mehr gute Debatten, betont Spahn.
Kramp-Karrenbauer gibt sich selbstkritisch. Sie räumt Fehler der Parteispitze ein und spricht gar von „Versagen“. Menschen hätten das Gefühl gehabt, dass die CDU Sorgen und „berechtigte Ängste“ nicht genug aufgegriffen habe, sagt sie – und meint auch sich selbst; schließlich saß sie in den Führungsgremien der Partei.
Auch Merz erinnert an die Wahlverluste der CDU. „Wir können und müssen uns dem Trend mit aller Kraft entgegenstellen.“ Dazu gehöre, dass die CDU offen zugebe, dass sie in den vergangenen Jahren „unbequeme Fragen“ nicht mehr ausreichend aufgenommen habe. Am Ende wirkt Merz wie der größte Muntermacher. „Der sagt was er denkt“, sagt einer der Anwesenden.
Ob es für Merz reicht, wird der Parteitag am 7. Dezember in Hamburg zeigen. Ein anderer hat sein Kommen übrigens überraschend abgesagt. Noch-CSU-Chef Horst Seehofer kann aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen, berichtet die „Augsburger Allgemeine“. dpa