Moskau/Kiew – Es sind heikle Aufnahmen, die das russische Staatsfernsehen am Montagabend sendet. Sie zeigen die Verhöre ukrainischer Soldaten, einer von ihnen sagt, der Marineeinsatz vor der Krim habe einen „provokativen Charakter“ gehabt. Ist es ein Schuldeingeständnis? Oder hat der russische Sicherheitsdienst die Männer unter Druck gesetzt, wie die Ukraine meint?
Klar ist nur: Seit der Konfrontation an der Halbinsel Krim droht der schwelende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zu eskalieren. Am Dienstagabend warf der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Russland vor, massiv Truppen an der Grenze zu seinem Land zusammenzuziehen. Die russische Armee habe die Zahl der Panzer von September bis Oktober verdreifacht, sagte Poroschenko in einem TV-Interview. Auch die Zahl der stationierten Einheiten sei „dramatisch gestiegen“. Es drohe ein „groß angelegter Krieg“ mit Russland.
Erst wenige Stunden zuvor hatte die Ukraine beschlossen, erstmals das Kriegsrecht anzuwenden. Die auf 30 Tage begrenzten Sondervollmachten für das Militär gelten etwa in den Grenzregionen zu Russland. Doch es herrschte Verwirrung. Weil Poroschenko seinen Erlass mehrfach abänderte, war unklar, ob das Kriegsrecht seit Montag gilt oder ob es erst heute in Kraft tritt. Es solle jedenfalls keine Auswirkungen auf die Präsidentenwahl am 31. März haben, hieß es.
Moskau sieht das anders. Der Kreml warnte vor einer Eskalation der Lage in der Ostukraine. Mit dem Kriegsrecht könnten die Spannungen in der von Separatisten kontrollierten Konfliktregion weiter zunehmen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Vor dem Hintergrund der geplanten Wahlen sei ein solcher Schritt aber leicht zu durchschauen.
Im Ringen um eine Lösung boten sich Deutschland und Frankreich am Dienstag als Vermittler an – doch Moskau lehnte ab. Die russischen und ukrainischen Behörden könnten die Probleme selbst diskutieren, sagte Außenminister Sergej Lawrow. Sein deutscher Kollege Heiko Maas mahnte, man müsse „alles für eine Deeskalation tun“. Die Nato-Staaten forderten Russland zur Zurückhaltung auf, machten aber klar, dass die Ukraine nicht auf militärische Hilfe setzen kann.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hofft auf eine Vermittlung der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Dort müssten beide Sichtweisen geprüft werden, sagte sie laut Teilnehmerangaben in der Sitzugn der Unionsfraktion in Berlin.
Die russische Küstenwache hatte am Sonntag zwei Patrouillenboote und einen Schlepper der ukrainischen Marine mit Gewalt daran gehindert, vom Schwarzen Meer in das Asowsche Meer durchzufahren. Russland betrachtet die Meerenge von Kertsch als sein Hoheitsgebiet, auch wenn ein Vertrag von 2003 der Ukraine freie Durchfahrt garantiert. Die Besatzungen wurden von russischen Grenzern festgesetzt.
Ein russisches Gericht in Simferopol auf der Krim verhängte am Dienstag gegen neun der Seeleute zwei Monate Untersuchungshaft. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Damit drohen ihnen bis zu sechs Jahre Haft. Für heute stehen weitere Verhandlungen an.
An Bord der festgesetzten Schiffe hielten sich auch Offiziere des ukrainischen Geheimdienstes auf. Gemäß Gesetz hätten sie den Seestreitkräften „nachrichtendienstlich“ geholfen, teilte die Behörde in Kiew mit. Einer der Geheimdienstoffiziere sei vor der Festnahme von einer „ungelenkten Rakete“ schwer verletzt worden.
International ging der Appell an Russland, die Matrosen freizulassen. Der Kreml verwies auf die Unabhängigkeit des Gerichts. Präsident Putin will sich erst in den nächsten Tagen zum Konflikt äußern. „Der Präsident wird dies tun, wenn er es für notwendig hält“, sagte sein Sprecher. Es sei aber eine sehr ernste Angelegenheit für ihn. Eine Gelegenheit könnte sich am Wochenende in Argentinien beim G20-Gipfel bieten.