Der Kampf der mächtigsten Frau Amerikas

von Redaktion

Es war ein Kampf für die 78-jährige Nancy Pelosi. Damit sie noch mal auf den einflussreichsten Posten im US-Kongress aufrücken kann, musste die Demokratin Kritiker ruhigstellen, Konkurrenten beiseiteschieben. Erfolgreich.

VON CHRISTIANE JACKE UND MAREN HENNEMUTH

Washington – Nancy Pelosi hat schon einiges hinter sich. Die 78-Jährige ist seit 37 Jahren im politischen Geschäft und lange schon in Führungsjobs im US-Kongress. Die Frontfrau der Demokraten weiß, Kritik abzuwehren, Mehrheiten zu organisieren und Abweichler einzufangen. Das hat sie nun einmal mehr bewiesen: Es sieht alles danach aus, dass sie einen parteiinternen Aufstand erfolgreich abgeblockt hat und sich Anfang Januar zum zweiten Mal zur Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses wählen lassen kann. Dann wäre sie erneut die Nummer drei im Staat – nach dem US-Präsidenten und dessen Vize. Und sie wäre auch: die mächtigste Frau Amerikas.

Der Führungsjob in der Kammer ist so etwas wie das Amt des Bundestagspräsidenten in Deutschland. Ein einflussreicher Posten – mit Abstand der wichtigste, den die Demokraten derzeit zu besetzen haben. An diesem Mittwoch fällt bei den Demokraten die Vorentscheidung, wen sie Anfang Januar offiziell aufstellen wollen. Alles läuft auf Pelosi zu. Dafür hat die Grande Dame gesorgt.

Auf ihre Weise. Von 2007 bis 2011 war Pelosi schon einmal „Sprecherin“ des Repräsentantenhauses, so der offizielle Titel. Pelosi rückte als erste Frau in der Geschichte des Landes auf den Posten auf. Als die Demokraten danach die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, wurde sie wieder Minderheitsführerin ihrer Partei. Bei der Kongresswahl Anfang November führte sie die Partei zurück zu einer Mehrheit. Pelosi reklamiert einen Teil des Wahlerfolgs für sich und erhob Anspruch auf das wichtigste Amt im Kongress.

Doch einige Parteifreunde sprachen sich gegen sie aus, riefen nach Veränderung und Verjüngung. Sie forderten, Pelosi solle nach mehr als 30 Jahren im Kongress Platz machen für Jüngere. Mit ihren 78 Jahren steht sie nicht gerade für den Aufbruch, nach dem sich viele Demokraten sehnen.

Pelosi ließ sich von der Revolte nicht stoppen. Ihren Kritikern entgegnete sie beharrlich, sie sei am besten geeignet – es gebe schlicht niemand anderen. Pelosi organisierte ihre Truppen, ließ jeden Tag aufs Neue prominente Fürsprecher auftreten. Und: Sie charmierte eine Konkurrentin aus dem Rennen. Die afroamerikanische Abgeordnete Marcia Fudge aus Ohio hatte Ambitionen aufs Sprecher-Amt. Pelosi traf sich mit der 66-Jährigen, versprach ihr mehr Mitsprache in der Fraktion, gab ihr einen Posten – und bewegte Fudge, auf eine Kandidatur zu verzichten. Weitere Konkurrenten tauchten bisher nicht auf.

Pelosi gilt als geschickte Taktiererin hinter den Kulissen. Ein bisschen was konnte sie wohl bei ihrem Vater abschauen. Der war Bürgermeister der Ostküstenstadt Baltimore. Pelosi wuchs als jüngstes von sechs Kindern auf, in einer italienisch-stämmigen Familie. Später zog sie selbst fünf Kinder auf und startete danach ihre politische Karriere.

Pelosi stieg schnell auf und hielt sich über Jahrzehnte auf politischen Führungsposten. Ohne Härte geht das nicht. Sie hat schon oft Durchhaltevermögen bewiesen. Auch als jemand, der schon mal acht Stunden ohne Pause und ohne Essen im Parlament einen Redemarathon absolviert, um für ein Einwanderungsgesetz zu kämpfen.

Zähigkeit dürfte die Demokratin noch brauchen. Ihr stehen keine einfachen Zeiten bevor. Ihre Partei steckt in einem Wandel – und in Kämpfen über den künftigen Kurs. Bei der Kongresswahl hat sich eine ganze Gruppe von progressiven, jüngeren Kandidaten der Demokraten durchgesetzt, die künftig im Repräsentantenhaus sitzen.

Viele Frauen sind darunter, Latinas, Muslima, Schwarze, Nachfahren von Ureinwohnern. Sie mischen die Partei auf, wollen diese moderner machen. Frontfrau ist Alexandria Ocasio-Cortez, Newcomerin aus New York, die als jüngste Frau in die Kammer einzieht. Ocasio-Cortez nahm kurz nach der Wahl an einer kleinen Protestaktion zum Klimaschutz vor Pelosis Büro teil und bricht auch sonst mit Konventionen. Ocasio-Cortez stützte Pelosi nur bedingt leidenschaftlich: Solange das die progressivste Kandidatin sei, könne sie mit ihrer Unterstützung rechnen.

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