München – Deutlicher geht es kaum. Er habe die „Falschbehauptungen der Rechtsaußen-Panikmacher“ satt, sagte Alexander Dobrindt laut Teilnehmern bei einer Sitzung des Unionsfraktion am Dienstagabend. Und er werde sich dem entgegenstellen. Der CSU-Landesgruppenchef bezog sich damit auf den UN-Migrationspakt, über den heftig gestritten wird. An vorderster Kritiker-Front: die AfD.
Die Bundesregierung, das weiß auch Dobrindt, hat ihren Anteil daran, dass „Falschbehauptungen“ auf fruchtbaren Boden fallen. Über den Pakt ist schlicht zu spät debattiert worden. Zwar will die GroKo mit ihrem Entschließungsantrag, über den heute im Bundestag entschieden wird, die gröbsten Zweifel ausräumen. Darin steht etwa, dass die nationale Souveränität Deutschlands nicht zur Debatte steht. Weiter im Dunkeln bleibt aber, wie das Abkommen zustande kam – und welche Rolle die Bundesregierung dabei spielte.
Eine führende, meint Sevim Dagdelen, die für die Linken im Bundestag sitzt. Dem „Cicero“ sagte sie kürzlich: „Es gab zwei Ebenen. Einmal haben die Regierungen unter Federführung der Bundesregierung darüber verhandelt, dann gab es noch Anhörungen für Arbeitgeber, NGOs, Kirchenvertreter und Parlamentarier.“ An den Anhörungen nahm Dagdelen als einzige deutsche Parlamentarierin teil. Im Februar 2018 habe ein erster Entwurf („first draft“) des Pakts gestanden.
Auch im Bericht der Bundesregierung über die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen heißt es, man habe den UN-Migrations- und den Flüchtlingspakt „durch Textvorschläge aktiv mitgestaltet“. Beide seien „rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend“. Insgesamt habe Deutschland eine „internationale Gestalterrolle im Bereich Flucht und Migration“.
In den sechs entscheidenden Verhandlungsrunden, die von Februar bis Juli dieses Jahres in New York stattfanden, hatte allerdings ein anderes EU-Land die Oberhand: Österreich. Die dortige Regierung habe sich „proaktiv angeboten“, bei den Verhandlungen für die EU zu sprechen, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. „Österreich hat die zuvor im EU-Kreis abgestimmte Position überzeugend vorgetragen.“ Kurioserweise war es später eines der ersten Länder, das sich vom Pakt distanzierte.
Das Auswärtige Amt bezeichnet die nun vorliegende Textfassung auf Anfrage unserer Zeitung als „Kompromiss“, in dem Deutschland aber „alle wichtigen Interessen umsetzen“ konnte. Welche das sind und wo Zugeständnisse gemacht werden mussten, bleibt unklar. Wer den ersten und den letzten Entwurf („final draft“) des Migrationspakts vergleicht, stößt allerdings schnell auf substanzielle Änderungen. Die aktuelle Textfassung betont etwa, dass die Staaten nach wie vor selbst darüber entscheiden können, was legale und was illegale Migration ist. Im Ursprungsentwurf stand das nicht.
Deutschland nahm aber wohl noch auf anderem Wege Einfluss auf den UN-Pakt: Zusammen mit Marokko sitzt die Bundesrepublik seit Januar 2017 dem „Global Forum on Migration and Development“ vor. Das, sagt Dagdelen, habe den Verhandlern in New York zugearbeitet.
Längst nicht alle sind mit dem Ergebnis zufrieden. Außenminister Heiko Maas (SPD) kann die aufgeheizte Debatte aber nicht nachvollziehen. „Die unmittelbaren Folgen werden überschaubar sein“, sagte er gestern zum UN-Pakt. „Wir setzen eher auf langfristige Effekte.“ MARCUS MÄCKLER