Organspende: Spahn stößt auf Widerstand

von Redaktion

In einer offenen Bundestagsdebatte erntet der Gesundheitsminister für seine Vorschläge teils deutliche Kritik

Berlin – Im Bundestag gibt es breite Vorbehalte gegen neue Regeln für Organspenden, bei denen jeder bis auf Widerruf als Spender gelten würde. In einer nachdenklichen Debatte warnten zahlreiche Abgeordnete fraktionsübergreifend vor Eingriffen in das Selbstbestimmungsrecht und die Menschenwürde auch über den Tod hinaus. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warb dagegen angesichts von rund 10 000 Menschen, die auf Organe warten, für eine Umstellung auf eine solche „doppelte Widerspruchslösung“.

Spahn sitzt am Nachmittag nicht wie üblich auf der Regierungsbank, sondern geht aus den Reihen der Unionsfraktion ans Rednerpult. Denn seinen Vorstoß hat er als Abgeordneter gemacht. Knapp 40 Parlamentarier melden sich in fast drei Stunden zu Wort, jeder hat vier Minuten, frei von Fraktionsvorgaben. Einig sind sich die meisten, dass Handlungsbedarf besteht. Aller Aufklärung zum Trotz gehen die Zahlen seit 2012 herunter und sanken 2017 auf einen Tiefpunkt von 797 Spendern. Dieses Jahr zeichnet sich immerhin ein Anstieg ab.

Doch für viele Schwerkranke drängt die Zeit. „Wissen Sie, wie grausam das ist, wenn Bangen und Hoffen umsonst waren, wenn das rettende Organ einfach nicht rechtzeitig gekommen ist?“, fragt Oliver Grundmann von der CDU. Und erzählt dann davon, wie er Wochen und Nächte in einer Kinder-Krebsstation verbracht hat.

Darum, dass sich jeder zumindest mit dem Thema befassen soll, geht es auch Spahn. „Doppelte Widerspruchslösung“, das bedeutete, dass automatisch jeder als Spender gilt. Man könnte dazu aber noch Nein sagen, sonst wären – als doppelte Schranke – auch Angehörige zu fragen. Dieses Nein auszusprechen, sei zumutbar, argumentiert der Minister. „Das einzige Recht, das damit beschnitten würde, wäre das Recht, sich keine Gedanken zu machen.“

Bisher ist es umgekehrt: Organentnahmen sind nur bei ausdrücklich erklärtem Ja erlaubt. Diese Position verteidigen auch die meisten Redner in der Debatte. „Dem deutschen Recht ist es fremd, Schweigen als Zustimmung zu werten“, sagt FDP-Mann Wolfgang Kubucki. Seine Fraktionskollegin Christine Aschenberg-Dugnus argumentiert, fürs Herunterladen von Bildern aus dem Internet werde Zustimmung verlangt und beim eigenen Körper solle Schweigen reichen? Absurd wäre das.

Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lenkt den Blick auf Menschen mit geistigen Behinderungen, die keine Entscheidung treffen könnten. „Sind die dann automatisch Organspender?“

Dass nicht mehr so viele Menschen das Thema vor sich herschieben sollten, finden aber auch Gegner einer System-Umstellung. Eine Gruppe von Abgeordneten um Grünen-Chefin Annalena Baerbock und Linke-Chefin Katja Kipping schlägt eine „verbindliche wiederkehrende Abfrage“ etwa beim Abholen neuer Pässe oder Personalausweise vor – ausdrücklich auch mit der Option, sich noch nicht für oder gegen Organspenden entscheiden zu wollen.

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