Mit dem 1. Advent, den wir diesen Sonntag feiern, beginnt die Vorbereitung auf Weihnachten. Der Lutheraner Paul Gerhardt hat dazu das schönste Lied geschrieben und 1653 zum ersten Mal veröffentlicht. Es beginnt:
Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?…
Johann Sebastian Bach hat die erste Strophe des Liedes als Choral in sein Weihnachtsoratorium aufgenommen. Dabei wurde aber nicht die sonst übliche Melodie zugrunde gelegt, sondern die von „O Haupt voll Blut und Wunden“ des Passionsliedes. Wollte Bach theologisch schon mit der Ankunft des Kindes in der Krippe den Blick richten auf das Leiden und das Kreuz vor Ostern? Vielleicht.
Empfangen und begegnen – diese Worte sind aber abseits von allem Theologischen auch ein Beispiel für den Reichtum und die Wandlungsfähigkeit der deutschen Sprache. Auf Englisch heißt es in diesem Lied nämlich einfach: „How shall I meet thee“ und in der zweiten Zeile ist von „welcome“ die Rede. Wie blass und nichtssagend wäre es gewesen, wenn Paul Gerhardt gedichtet hätte: Wie soll ich dich treffen und willkommen heißen?
Es gibt deutsche Sätze, in denen Worte wie empfangen, erhalten und bekommen sinngleich zu sein scheinen. So kann man sagen, ich erhielt, empfing oder bekam einen Brief. Aber leicht fallen uns Sätze ein, für die man nicht jedes dieser Wörter verwenden kann: Das Kind bekommt Zähne, aber es erhält oder empfängt sie nicht! Und in unserem Adventslied kann man statt empfangen keinesfalls erhalten einsetzen, denn der Erlöser kommt ja nicht wie ein Brief oder ein Paket vom Himmel.
Nur das Wort empfangen hat die Sinnfärbung eines bewussten Entgegennehmens. In Paul Gerhardts Lied geht es dabei um einen Empfang voller großer Sehnsucht und Liebe, denn dieser kommende Jesus ist ja „aller Welt Verlangen, o meiner Seelen Zier“.
Bei so einer Ankunft kommt gleich auch eine Unsicherheit ins Spiel. Wie wird man sich bei der ersehnten Begegnung bewähren? Welchen Teppich soll man ihm ausbreiten, dem kommenden Christus?
Das beantwortet die zweite Strophe:
Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin, und ich will dir in Psalmen ermuntern meinen Sinn. Mein Herze soll dir grünen in stetem Lob und Preis und deinem Namen dienen, so gut es kann und weiß.
Der Dichter will also nicht wie beim Einzug von Jesus in Jerusalem Palmen und grüne Zweige auslegen, sondern in Psalmen und mit dem Herzen dem kommenden Erlöser stets dienen.
Es geht ihm um eine Wendung nach innen. Möge uns allen in dieser kurzen Adventszeit die innere Einkehr gelingen, der Blick auf das Wesentliche im Leben. Das ist die beste Vorbereitung auf Weihnachten. Möge ein friedliches Fest vor uns liegen, das wir in Geborgenheit feiern können und in der Gewissheit, dass die Welt doch nicht ganz verloren ist.
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