Putin: Ukraine ist eine „Partei des Krieges“

von Redaktion

Wer eskaliert zwischen Russland und der Ukraine? Der Konflikt der Nachbarn hat auch den G20-Gipfel umgetrieben. Vermittelnde Worte prallen aber an Kremlchef Putin ab.

VON FRIEDEMANN KOHLER

Buenos Aires/Kiew – Russlands Präsident Wladimir Putin hat die Ukraine als Kriegstreiber bezichtigt. „Die jetzige Führung der Ukraine ist nicht an einer Lösung der Situation interessiert, schon gar nicht mit friedlichen Mitteln“, sagte er am Samstag zum Schluss des G20-Gipfels der Staats- und Regierungschefs der großen Wirtschaftsnationen in Buenos Aires.

Das zeige sich an den Kämpfen in der Ostukraine wie bei dem Zwischenfall auf dem Schwarzen Meer, den Putin eine ukrainische Provokation nannte. „Das ist eine Partei des Krieges, und solange sie an der Macht ist, werden Tragödien dieser Art und der Krieg andauern“, sagte der Kremlchef über die Kiewer Führung um Präsident Petro Poroschenko. Kiew mache die angebliche russische Aggression für eigene Misserfolge verantwortlich.

Die russische Küstenwache hatte vor einer Woche drei Marineboote der Ukraine gewaltsam aufgebracht und die Besatzungen festgenommen. Die Ukrainer wollten durch die Meerenge von Kertsch in das Asowsche Meer fahren, das von Russland zunehmend abgeriegelt wird.

Kanzlerin Angela Merkel und andere Politiker bemühten sich auf dem Gipfel, in dieser neuen Wendung des seit fünf Jahren andauernden Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zu deeskalieren. Merkel schlug Putin einen Vermittlungsversuch vor: Ein Treffen auf Beraterebene im „Normandie-Format“, dem Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine angehören. „Das ist auch zustimmend zur Kenntnis genommen worden“, sagte die Kanzlerin. Poroschenko sagte, Kiew sei dazu bereit.

Merkel betonte, der freie Schiffsverkehr durch das Asowsche Meer müsse erhalten bleiben. Dazu gebe es eine Vereinbarung von 2003. „Diese Grundlage muss Russland einhalten.“ Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte: „Merkel hat ihren Wunsch geäußert, zu einer Lösung dieser Situation beizutragen.“ Das Wort Vermittlung sei nicht gefallen „und hätte auch nicht gepasst“. Schließlich gehe es um eine Verletzung der russischen Grenze.

Seine eigene Gewalt gegen die Ukraine hat Russland stets abgestritten. 2014 nahm Russland dem Nachbarland die Halbinsel Krim weg, was von den meisten Ländern als Verletzung des Völkerrechts gesehen wird. In der Ostukraine führt Moskau einen verdeckten Krieg, es unterstützt prorussische Separatisten mit Waffen, Munition und Kämpfern. Zwei entscheidende Niederlagen der ukrainischen Armee bei Ilowajsk 2014 und Debalzewe 2015 wären kaum möglich gewesen ohne die überlegene Feuerkraft ganzer russischer Einheiten. Bei den Kämpfen sind bislang mehr als 10 000 Menschen getötet worden. Ein geltender Waffenstillstand wird von beiden Seiten nicht eingehalten.

Poroschenko sagte, mit der Eskalation auf dem Schwarzen Meer wolle Russland die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft testen: „Lässt die Welt zu, dass das Asowsche Meer und dann das Schwarze Meer sich in russische Binnenseen verwandeln?“, fragte er am Samstag. Er warnte erneut, dass an den Grenzen seines Landes etwa 80 000 russische Soldaten aufmarschiert sein.

Wegen der angeblich gestiegenen Bedrohung hat Poroschenko für 30 Tage das Kriegsrecht eingeführt. Die Maßnahme bleibe aber bis zum 26. Dezember beschränkt, versprach er. Das Verteidigungsministerium will von heute an Reservisten zu Übungen einberufen. Sie sollen zehn Tage, in den Stäben auch 20 Tage dauern.

Kritiker sehen für das Kriegsrecht eher innenpolitische Gründe: Poroschenko wolle seine schwache Position vor der Präsidentenwahl im März 2019 stärken. Auch Ex-Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte Poroschenko wegen dessen Forderung, Deutschland und andere Nato-Partner müssten mit Marineschiffen mehr Präsenz im Schwarzen Meer zeigen. Deutschland dürfe sich „nicht in einen Krieg gegen Russland hineinziehen lassen“, sagte Gabriel dem „Tagesspiegel“.

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