MIKE SCHIER
Man reibt sich die Augen: Die CDU, viele Jahre lang ein reiner Kanzlerinnen-Wahlverein, hat sich mit ihrem internen Wahlkampf einer regelrechten Frischzellenkur unterzogen. Der Zulauf bei den Regionalkonferenzen war gewaltig, der Umgang der Wettbewerber untereinander vorbildlich fair. Wo die SPD seit Jahren ergebnislos darüber spricht, sich neu zu erfinden und auch nach 15 Jahren noch unter Gerhard Schröders Agenda leidet, vollzieht die CDU die Emanzipation von ihrer Vergangenheit, während diese Vergangenheit noch putzmunter in Buenos Aires Weltpolitik betreibt. Respekt!
Ob dieser Zustand von Dauer ist, dürfte zunächst einmal vom Ergebnis des Parteitags abhängen. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass ein Vorsitzender Friedrich Merz dauerhaft Interesse an einer Bundeskanzlerin Angela Merkel haben dürfte. Gut möglich, dass er den Ton gegenüber der SPD so lange verschärft, bis die Genossen die Koalition verlassen und darüber auch die Kanzlerin stürzt. Ein kooperatives Miteinander scheint allein mit Annegret Kramp-Karrenbauer möglich. Hier quasi die Kanzlerin, die in der Ukraine vermittelt oder mal wieder die EU rettet – dort die Partei-Vorsitzende, die den konservativen Kompass der CDU innenpolitisch neu justiert.
Merkel dürfte sich allerdings keine falschen Hoffnungen machen: Mit dem starken Rückenwind des Parteitagsvotums hätte auch AKK eine ganz andere Machtbasis in der Zusammenarbeit. Ihre Aussagen im Interview verströmen schon jetzt ein gesundes Selbstbewusstsein jenseits hemdsärmliger Männersprüche. Dann wird sich zeigen, wie belastbar das enge Verhältnis der beiden Frauen ist.
Mike.Schier@ovb.net