Nato setzt Russland letzte Frist für INF-Abrüstungsvertrag

von Redaktion

Ausbau der Raketenabwehr in Europa als mögliche Antwort – Pompeo für „neue liberale Weltordnung“

Brüssel – Die USA setzen Russland ein Ultimatum von 60 Tagen, um die Zerstörung von neuen Marschflugkörpern zuzusagen. Die Waffen vom Typ SSC-8 stellten einen klaren Bruch des INF-Vertrags zum Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen dar, sagte US-Außenminister Mike Pompeo nach Beratungen mit den Kollegen der anderen Nato-Staaten in Brüssel. Wenn Russland den Vertrag verletzte, ergebe es für die USA keinen Sinn mehr, im Vertrag zu bleiben.

Demnach könnten die USA theoretisch bereits in 60 Tagen ihrerseits neue atomare Mittelstreckensysteme bauen und stationieren. Die USA hätten in der Vergangenheit „maximale Geduld“ gezeigt, sagte Pompeo. Die neuen russischen Marschflugkörper bedrohten die Zehntausenden in Europa stationierten US-Soldaten und dazu Millionen von Zivilisten.

In Moskau wurden die Vorwürfe erneut zurückgewiesen. „Russland hält sich strikt an die Bestimmungen des Vertrages, und das ist der amerikanischen Seite auch bekannt“, kommentierte die Sprecherin des Außenministeriums nach Angaben der Agentur Interfax.

Die USA hatten sich kurz vor Pompeos Ankündigung die Unterstützung der Nato-Partner zusichern lassen. Die Außenminister stimmten bei dem Treffen in Brüssel einer Stellungnahme zu, in der Russland von der Nato erstmals einschränkungslos vorgeworfen wird, gegen den INF-Vertrag zu verstoßen. Man rufe Russland auf, sofort und nachweisbar wieder volle Vertragstreue herzustellen, kommentierte Generalsekretär Jens Stoltenberg.

Mit dem Vorgehen soll Russland eine letzte Gelegenheit erhalten, die von der Nato vermutete Missachtung der Regeln des Vertrags zu beenden. Wenn es dies nicht tut, könnte auf Bündnisebene zum Beispiel ein Ausbau der Raketenabwehr in Europa beschlossen werden. Sollte Russland nicht einlenken, hätte dies auch zur Folge, dass die USA den INF-Vertrag mit politischer Rückendeckung der anderen Alliierten kündigen könnten.

Das geplante Vorgehen gilt als Kompromiss unter den Nato-Partnern. US-Präsident Donald Trump hatte eigentlich bereits im Oktober angekündigt, den INF-Abrüstungsvertrag wegen neuer russischer Marschflugkörper vom Typ 9M729 aufkündigen zu wollen. Nato-Partner wie Deutschland befürchten allerdings, dass dies ein fatales Signal wäre und ein neues Wettrüsten auslösen könnte. Sie wollen deswegen alle Möglichkeiten nutzen, um das Abkommen doch noch zu retten. „Wir wollen keine neue Aufrüstungsspirale in Europa – wir wollen schon gar keine neue nukleare Aufrüstungsspirale“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas nach den Beratungen. Er wertete es Erfolg, dass die USA den Vertrag am Dienstag noch nicht gekündigt hätten.

Unterdessen hat Pompeo die weltweite US-Führungsrolle unterstrichen. Bei einer Rede forderte er die Verbündeten der USA auf, Trumps Bestrebungen zu unterstützen. Die Verbündeten sollten „ehrlich sagen“, ob die Welthandelsorganisation (WTO), der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) und der Internationale Währungsfonds (IWF) ihren Bürgern dienten. „Schlechte Akteure“ hätten die mangelnde Führungsstärke der USA in der Vergangenheit zu ihrem „eigenen Vorteil“ ausgenutzt. Der ehemalige Chef des US-Auslandsgeheimdiensts CIA sprach sich für eine von den USA geführte „neue liberale Weltordnung“ aus.

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