Berlin – In der Politik ist es manchmal auch eine Nachricht, wenn einer ausspricht, was alle schon wissen. Wolfgang Schäuble, der fintenreiche Bundestagspräsident, hat nun jedenfalls öffentlich seine Unterstützung für Friedrich Merz als neuen CDU-Vorsitzenden ausgesprochen. „Es wäre das Beste für das Land, wenn Merz eine Mehrheit auf dem Parteitag erhielte“, sagte Schäuble der „FAZ“. „Das würde es erleichtern, wieder zu einer Integration der politischen Kräfte zur Mitte hin zu kommen und unser System zu stabilisieren. Die politischen Ränder würden wieder schwächer.“
Dass Schäuble für Merz ist, steht außer Frage – der „Spiegel“ zeichnete vor wenigen Wochen in einer langen Geschichte nach, wie der Bundestagspräsident die überraschende Merz-Kandidatur über Monate vorbereitet und mit eingefädelt hatte, dem Manager angeblich auch Gesprächstermine bei Wichtigen in Brüssel vermittelte. Dass Schäuble sich nun öffentlich bekennt, läutet die Schlussphase des parteiinternen Wahlkampfs ein: Vor der Abstimmung auf dem Parteitag am Freitag in Hamburg erklären mehrere CDU-Politiker, wen sie wählen.
Ein einheitliches Bild ergibt sich da nicht. Der CDU-Arbeitnehmerflügel, zumindest der Vorsitzende Karl-Josef Laumann, stellt sich hinter Annegret Kramp-Karrenbauer. In einem Brief an die Delegierten, die im Flügel organisiert sind, lobt der CDA-Chef die Kandidatin laut Medienberichten demonstrativ. Sie sei bereits seit fast 30 Jahren Mitglied der CDA und habe „ein Gespür für unsere Herzensthemen“. Auch der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, sprach sich explizit für die 56-Jährige aus, ebenso die Kommunalpolitische Vereinigung der CDU.
Merz, Kramp-Karrenbauer und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sind die drei aussichtsreichen Kandidaten für den CDU-Vorsitz. Zu entscheiden haben 1001 Delegierte. Seriöse Daten, wer in diesem Kreis vorne liegt, gibt es nicht. Mittelstandsunion und Junge Union, lange Spahn zugeneigt, sind intern unentschlossen, tendieren offenbar zu Merz.
Offen ist auch, wen sich die CSU an der Spitze der CDU wünschen würde. Der designierte Parteichef Markus Söder hatte kurz vor der Landtagswahl Spahn ins bayerische Kabinett eingeladen (als es um Pflegefragen ging). Von Merz distanzierte sich Söder unlängst überraschend wegen dessen starkem Fokus auf Migrationspolitik. Für Spahn sprechen sich im Hintergrund auch viele jüngere Politiker aus – der 38-Jährige hat viel Zeit in Bayern-Besuche investiert, besuchte sogar mehrere Bezirksverbände der Jungen Union.
Aus der CSU-Spitze sind seit mehreren Wochen, anders als früher, aber auch kaum noch Spitzen gegen Kramp-Karrenbauer zu vernehmen. Man müsse mit allen zusammenarbeiten können, heißt es. Merkels Rückzug erleichtere die Lage so oder so.
Eine Festlegung scheuen CSU-Politiker. Der bayerische Arbeitnehmerflügel, geführt von Volker Ullrich, schließt sich der Kramp-Karrenbauer-Unterstützung nicht an, tagt erst am Samstag. Auch nicht die Frauen-Union der CSU, die aber bereits ihr Zeichen gesetzt hat. Bei der Landesversammlung im Oktober in München wurde Kramp-Karrenbauer eingeladen und mit stehenden Ovationen bedacht. cd