ALEXANDER WEBER
Vom Timing her hätte die Botschaft vom Europäischen Gerichtshof an London nicht spannender sein können. Pünktlich zum Auftakt der entscheidenden Unterhaus-Beratungen zum Brexit-Vertrag teilt der Generalanwalt mit (dessen Gutachten das Gericht in den allermeisten Fällen folgt), dass die Briten das Recht haben, den Antrag zum Verlassen der EU einseitig zurückzunehmen. Hat der Exit vom Brexit also eine Chance?
Zumindest liegt jetzt die vernünftigste Option von allen mit auf dem politischen Pokertisch. So sehr sich Premierministerin Theresa May in der Pflicht sieht, den Willen einer knappen Mehrheit der Bürger beim Referendum in die Tat umzusetzen, so legitim ist die Forderung, die Briten in einer zweiten Abstimmung zu befragen, ob der nun vorliegende Ausstiegsvertrag wirklich dem entspricht, was sie sich 2016 vom Goodbye zur EU versprochen haben. Auf der Grundlage der jetzt erkennbaren Realität statt der einst blumigen Versprechungen der Brexiteers.
Der Premierministerin spielt die neue Lage auf den ersten Blick in die Karten. Sie kann jetzt den EU-Gegnern in den eigenen Reihen wie denen in der Opposition glaubhaft drohen, bei einem Nein zu ihrem Deal könnte der Brexit bald ganz Geschichte sein. Allerdings wäre ein Scheitern Mays dann nicht mehr gleichbedeutend mit dem Absturz ins Chaos. Ein zweites Referendum brächte vielmehr neue Hoffnung sowohl in die britische Wirtschaft als auch viele junge Briten: auf eine Zukunft innerhalb der EU.
Alexander.Weber@ovb.net