Merkels Erbe in der CDU

von Redaktion

Das Ende der Amtszeit von Angela Merkel ist in Sicht – ihr Rückzug vom Parteivorsitz ist der erste Schritt. Kritiker hoffen auf einen Kurswechsel der CDU. Doch was war Merkels Kurs eigentlich?

VON SEBASTIAN FISCHER UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

Berlin – Wenn über Angela Merkels Rückzug gesprochen wird, treibt ein Wort die CDU verlässlich um: Rechtsruck. Wird die Union wieder stärker konservativ auftreten? Was ist das überhaupt? Und wurde das unter Merkel vernachlässigt? Der einzige Markenkern der CDU heiße Merkel, schrieb der „Tagesspiegel“ im Jahr 2014, „ihre Raute ist das inoffizielle Parteilogo“. Über die „Knetmasse-Kanzlerin“ spottete die „taz“ schon 2011. Als Belege für die Änderungen, die die langjährige Vorsitzende in der CDU durchgesetzt oder zumindest mitgetragen hat, gelten viele Einzelentscheidungen. Wir geben einen Überblick, was Merkels politisches Erbe im Detail ist.

Bundeswehr

Mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 greift die Union eine Forderung auf, die SPD und Grüne schon lange erhoben, in ihrer Regierungszeit aber nicht mehr durchgesetzt hatten. Zuletzt lehnte Merkel im Zusammenhang mit der Diskussion über eine allgemeine Dienstpflicht eine Wiedereinführung der Wehrpflicht klar ab. Verteidigungsminister beim Wehrpflicht-Aus war übrigens ein CSU-Mann – Karl-Theodor zu Guttenberg.

Frauenquote

Das Gesellschaftsbild der CDU hat Merkel auf breiter Front modernisiert, etwa bei der Rolle von Frauen. 2016 tritt die im Koalitionsvertrag mit der SPD verabredete, gesetzlich festgelegte Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte der größten Börsen-Unternehmen in Deutschland in Kraft. Im CDU-Wirtschaftsrat gibt es bis zur Abstimmung im Bundestag Unmut über die Regelung. Merkel will auch innerparteilich einen höheren Frauenanteil durchsetzen. Das sei „eine Existenzfrage für eine Volkspartei“, sagte sie noch im Mai.

Homo-Ehe

Im Sommer 2017 rückt Merkel vom klaren Nein der CDU zur Öffnung der Ehe ab. Sie überlässt den Unions-Abgeordneten in der Sache eine freie „Gewissensentscheidung“. Hintergedanke: Nach der Bundestagswahl 2017 hätten alle potenziellen Koalitionspartner die Homo-Ehe zur Bedingung gemacht. Der Bundestag beschließt daraufhin, dass Schwule und Lesben heiraten und gemeinsam Kinder adoptieren dürfen. Merkel selbst votiert allerdings dagegen.

Atomausstieg

Gegen erbitterte rot-grüne Proteste setzt Merkel im Bündnis mit der FDP 2010 eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken durch. Doch 2011 – nach der Katastrophe von Fukushima – verkündet sie abrupt die Kehrtwende zum zügigen Atomausstieg. Bei beiden Schritten ist die CSU an ihrer Seite.

Flüchtlinge

Als immer mehr Flüchtlinge 2015 registriert werden, setzt sich die Kanzlerin für deren Integration ein. Verteidigen muss sie ihren Kurs gegen Konservative in der Union, die Deutschland stärker abschirmen wollen. Mittlerweile aber sind Regeln für Flüchtlinge unter Schwarz-Rot verschärft worden, vor allem auf Druck der CSU.

Mindestlohn

In der vergangenen Legislaturperiode wird ein linkes Herzensprojekt der SPD wahr: der gesetzliche Mindestlohn. Der Wirtschaftsflügel der Union schluckt die Koalitionsvereinbarung.

Bildung

Nach langem Ringen löst sich die CDU 2011 von der Tradition des dreigliedrigen Schulsystems und erklärt sich zur Abkehr von der eigenständigen Hauptschule bereit. Neben dem Gymnasium sollen unter dem Dach einer „Oberschule“ Haupt- und Realschulen vereint werden. Die CSU in Bayern geht diesen Weg nicht mit. Offen ist auch noch die Zukunft des Kooperationsverbots: Dass der Bund den Ländern in der Schule nicht reinregiert, war lange ein konservatives Kernanliegen (siehe Text unten).

Doppelpass

Merkel hält 2016 trotz des gegenteiligen Votums eines CDU-Parteitags an der doppelten Staatsbürgerschaft fest. Diese war 2014 mit der SPD vereinbart worden. In der CDU und auch in Teilen der CSU gibt es weiterhin viele Stimmen, die den Doppelpass abschaffen wollen.

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