Altötting/München – Für CSU-Verhältnisse ist das ein sehr freundlicher Umgang miteinander: Horst Seehofer wird minutenlang beklatscht und erhält eine Karikatur als Geschenk, auf der ihm die Bavaria persönlich einen Lorbeerkranz aufs Haupt setzt. Der scheidende Parteivorsitzende erlebt einen würdevollen Abschied bei der Klausurtagung seiner Oberbayern-CSU in Altötting. Trotzdem sind Zwischentöne zu vernehmen im Kernland der Partei.
Jenseits des Seehofer-Ausstands gibt es Wunden zu lecken: Mit zwei regionalen Wahlanalysen versucht der Verband zu erkunden, warum die CSU im Regierungsbezirk so drastisch absackte. Nur noch 33,7 Prozent waren es im Oktober, vier Punkte weniger als bayernweit. Ergebnis: Es ist kompliziert. In vertraulicher Runde erhält der Bezirksvorstand ein Bündel von Erklärungsansätzen. Eine Reihe von Kurzinterviews mit Mitgliedern ergibt das Bild, dass Streit in der CSU und mit der CDU Wähler verschreckt habe. Mehrere, die sich angesprochen fühlen könnten, rufen in der Sitzung zu Geschlossenheit auf – Ministerpräsident Markus Söder und auch Seehofer. Der Noch-Parteichef verlangt, die Oberbayern müssten wieder zum Kraftzentrum der CSU werden, ohne dass er das als Kritik an der Vorsitzenden Ilse Aigner verstanden sehen will. Nie dürfe man das Ziel der absoluten Mehrheit aufgeben.
Härter fällt die Wahlanalyse der Politik-Professorin Ursula Münch aus. Sie sieht grobe Fehler 2018 – so schildern es Teilnehmer der Sitzung in Altötting. In der Migrationspolitik habe die CSU eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich gebracht, mit ihren Querelen und Kurskorrekturen im Sommer aber das Bild verwischt.
Münch kritisiert, dass die CSU kein großes Wahlprogramm vorgelegt habe. Sie pickt sich auch Teile der Kampagne raus, vor allem Aigners Wahlplakat mit Söder, das die beiden – nicht eben allerbeste Freunde – Rücken an Rücken zeigt. Wer sich so etwas einfallen lasse, wird sie verwundert zitiert. Die Professorin hätte den wie überall Söder-zentrierten Wahlkampf in Oberbayern stärker auf Aigner zugeschnitten. Teilnehmer schildern an dieser Stelle Aigners Zwischenruf: „Wir durften ja nicht!“
Offenbar kostet auch der starke Zu- und Wegzug Stimmen. Die CSU habe Zustimmungswerte von 25 Prozent bei jenen, die in den letzten fünf Jahren nach Bayern gezogen sind, aber von 46 Prozent bei jenen, die weggezogen sind, lernt der Vorstand.
Trotzdem bleibt es eine friedliche Klausur im Hotel zur Post, das übrigens in Familienbesitz Gerold Tandlers ist und einst den Mittelpunkt der Zwick-Affäre bildete, über die der Ex-Minister 1990 stolperte. Die Gräben in der Führung der oberbayerischen CSU zwischen klar Söder-loyalen Funktionären und Aigners Unterstützern brechen an diesem Tag nicht auf. Aigner bekräftigt, im Frühsommer 2019 wieder als Bezirksvorsitzende zu kandidieren. Es solle ja „keine Unruhe“ aufkommen. Das bleibt unwidersprochen. Auch an ihrer Doppelrolle – sie ist im Hauptamt Landtagspräsidentin – wird keine Kritik laut.
Söder verspricht intern, sich für Marcel Huber einzusetzen, für den er im Kabinett keine Verwendung mehr fand. Hubers tiefer Fall – auch die Fraktion wollte ihn nicht als Vize – verstört viele in Oberbayerns CSU. Der Ex-Umweltminister, bodenständig, unaufgeregt, fährt bei Wahlen stets herausragende Ergebnisse sein. Söder deutet an, er habe eine neue Aufgabe für Huber im Kopf.
CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER