Ziemiak bekommt den Unmut ab

von Redaktion

Es brodelt in der CDU: Der symbolische Kurswechsel, den sich viele gewünscht hätten, bleibt aus

Hamburg – Die frischgebackene Vorsitzende lässt sich die Strapazen des Vortags nicht anmerken. Gekleidet in frisches Grün streift Annegret Kramp-Karrenbauer am Samstagmorgen über den Parteitag. Mit mehreren Kamerateams im Schlepptau bewundert sie einen schnittigen Volkswagen mit Elektroantrieb, und lässt sich am nächsten Stand einen Zimmerstern aus Holz schenken. Glück soll er bringen. Sie kann es brauchen.

Es brodelt in ihrer Partei. Gerade 15 Stunden ist es her, dass Kramp-Karrenbauer in der Wahl zum Parteivorsitz ihre Konkurrenten ausgestochen hat. Erst Jens Spahn, dann Friedrich Merz. Beide Männer, beide aus Nordrhein-Westfalen, beide Hoffnungsträger derer, die nach 18 Jahren Angela Merkel von einem Kurswechsel träumten. Gewonnen aber hat sie, Merkels Wunschkandidatin. Obwohl im ersten Wahlgang zusammengerechnet fast 100 Delegierte mehr für Spahn oder Merz gestimmt hatten. Nicht für sie.

Fast schon manisch betont die Partei seither, wie geschlossen sie hinter ihrer neuen Chefin steht. Dass das jedoch nicht für alle gilt, zeigt sich schon am Samstag. Kramp-Karrenbauer schlägt JU-Chef Paul Ziemiak als ihren neuen Generalsekretär vor. Im Wettkampf um die Parteispitze hatte Ziemiak – der wie Spahn und Merz aus NRW stammt – die bisherige Generalsekretärin nicht unterstützt. Er hatte sogar im Vorfeld ein Angebot Kramp-Karrenbauers abgesagt, im Falle ihrer Wahl zur Parteichefin Generalsekretär zu werden. „Gestern Abend, spät, am Rande der Tanzfläche habe ich ihn nochmal gefragt“, sagt Kramp-Karrenbauer am Samstag. Sie sei froh, dass er beim zweiten Anlauf ja gesagt habe.

Ziemiaks Berufung ist ein klares Signal an den konservativen Parteiflügel. Es soll ein Entgegenkommen sein, ein freundschaftlicher An-stupser. Doch die Delegierten wählen Ziemiak nur mit knapp 63 Prozent ins Amt. Der 33-Jährige bedankt sich für ein „ehrliches Ergebnis“.

Kurz nach Ziemiaks Wahl flitzt Jens Spahn über das Gelände. Von der Sparkasse über den Verband der Lesben und Schwulen in der Union, weiter zur Konrad-Adenauer-Stiftung. Gerne ein Gruppenfoto, aber bitte auch eine Frau aufs Bild, sagt der Gesundheitsminister. Bloß nicht die alten CDU-Klischees bedienen. Es ist ein typischer Spahn-Auftitt. Zackig und energiegeladen. Der 38-Jährige scheint die Niederlage gut weggesteckt zu haben. Vermutlich hatte er sie erwartet.

Wo aber ist Friedrich Merz? Am Vortag gingen noch Flaschen zu Bruch, weil mehr Kamerateams ihn durch die Sitzreihen verfolgten als durchpassten. Er hätte die Kraft, die Partei zusammenzuhalten, sagen viele. Die Enttäuschten zu versöhnen. Doch nach seiner Niederlage hatte der Hoffnungsträger vieler Konservativer zunächst rumgedruckst, was seine Zukunft in der Partei betrifft. Ins Präsidium wollte er sich gar nicht erst wählen lassen. Am Samstag nimmt man kaum wahr, dass er da ist.

Bis Carsten Linnemann die Bühne betritt. Der Chef der Mittelstandsunion wendet sich beinahe flehentlich an Merz. „Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns.“ Und noch einmal. „Friedrich, wir brauchen dich.“ Besonders mit Blick auf die anstehenden Wahlen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sei Merz’ Unterstützung wichtig. „Wir müssen den Laden hier zusammenhalten, verdammt nochmal“, ruft Linnemann. Merz schweigt. S EBASTIAN HORSCH

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