ALEXANDER WEBER
Vor die Wahl gestellt, ein parlamentarisches Waterloo zu erleben oder den taktischen Rückzug beim Brexit-Deal anzutreten, entschied sich Theresa May für die persönlich demütigendste Variante. Motto: besser das Gesicht verlieren als die Jahrhundertschlacht. Denn noch immer hofft die Premierministerin, am Ende zu siegen. Sie setzt auf zwei Verbündete: die Zeit und die EU.
Schon vor Beginn des morgigen Brüsseler Gipfeltreffens ging May auf Betteltour durch Europas Regierungszentralen. Sie hat zwar schmerzhaft erfahren müssen, dass sich die 27er-EU in der Sache nicht auseinanderdividieren lässt, doch sie kennt natürlich auch die Schwachstelle der Euro-Partner: Die wirtschaftlichen Verwerfungen eines No-Deal-Brexits will auf dem Kontinent niemand. Es wird also um Gesten der Brüsseler Unionisten gehen, um May an der politischen Heimatfront zu helfen, die schlimmsten Befürchtungen rund um den Backstop, den Notfallplan für eine offene Grenze auf der irischen Insel, auszuräumen. Sofern Merkel, Macron und Juncker nicht heimlich noch auf einen Exit vom Brexit setzen, sollten sie Theresa May zumindest symbolisch entgegenkommen, um das Schlimmste zu verhindern.
Genau mit diesem Albtraumszenario, dem Chaos-Brexit, hofft May weiter eine Mehrheit im Unterhaus für ihren Deal zu erzwingen. Mit der Verschiebung der Abstimmung auf Januar setzt May ihre Gegner noch stärker unter Zeitdruck: High Noon am 29. März rückt näher.
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