„Allah wirft Jesus hinaus“

von Redaktion

Muslimische Gemeinde in Bergamo kauft katholische Kirche – und entfacht einen kleinen Religionsstreit

Bergamo – Der Verkauf einer leer stehenden katholischen Kirche hat in der norditalienischen Stadt Bergamo einen kleinen Religionskonflikt ausgelöst – angestachelt von der rechten Lega. Der Streit begann im Oktober, als eine Gesundheitsbehörde die ehemalige Krankenhauskapelle zur Versteigerung ausschrieb. Der Verkäufer ging davon aus, dass sich die örtliche Rumänisch-Orthodoxe Gemeinde das Gebäude sichern würde. Sie nutzte die Kirche seit drei Jahren als Leihgabe.

Aber es lief anders: Im letzten Moment schnappte der Verband der Muslime in Bergamo der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde das Gebäude für rund 450 000 Euro vor der Nase weg. Der Verkauf schockierte nicht nur die Rumänen. Die Vorstellung, die kleine Kirche in der vornehmen Stadt am Alpenrand könne zu einer Moschee umfunktioniert werden, galt Kritikern als Beweis einer muslimischen „Invasion“. Die rechte Boulevard-Zeitung „Libero“ titelte: „Allah wirft Jesus hinaus.“

Der lombardische Präsident Attilio Fontana von der Lega hat versprochen, die Versteigerung wieder rückgängig zu machen, damit die orthodoxen Gläubigen die Kirche weiter nutzen können. Fontana zufolge könnte die Region von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Der mitte-links ausgerichtete Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, hält den Vorschlag für höchst zweifelhaft und von anti-muslimischen Vorurteilen geprägt. „Sie wollen den Verkauf nur rückgängig machen, weil ihnen der Käufer nicht gefällt“, sagt Gori. „Ich denke, es handelt sich um eine klare Form von Diskriminierung von Muslimen.“

Hinter dem Streit steckt ein regionales Gesetz, das die Eröffnung neuer nicht-katholischer Gotteshäuser stark einschränkt. Das Gesetz war von der Lega auf den Weg gebracht worden. Die Einrichtung neuer Moscheen ist so gut wie unmöglich – es sei denn, sie befinden sich an einem Ort, der schon als Gotteshaus ausgewiesen ist, wie die ehemalige Krankenhauskapelle, sagt Gori. Als diese zum Verkauf angeboten wurde, sei das eine Gelegenheit für die Muslime gewesen. „Solange wir nicht jedem einen angemessenen Platz zum Beten zur Verfügung stellen, werden wir immer wieder solche Probleme haben.“

Der Verband der Muslime wollte sich nicht äußern. Den örtlichen „Bergamo News“ hatte Verbandssprecher Joussef Ait Abboudel aber gesagt, seine Gemeinde suche „mehr Autonomie, Stabilität und Würde“. Rund 400 Muslime versammeln sich derzeit in einem ehemaligen Lager für Tischlereibedarf unter einer Straßenbrücke zum regelmäßigen Gebet. Im Fastenmonat Ramadan sind es bis zu 2000 Menschen. „Wenn wir beten, wackelt der ganze Raum wegen der Lkw, die über uns hinwegfahren.“

Doch der Rumänisch-Orthodoxe Pfarrer Gheorghe Velescu hat wenig Mitgefühl mit den Muslimen. „Mit allem gehörigen Respekt, weil sie ja auch Menschen sind wie wir – das ist eine Kirche. Ich würde nie eine Moschee kaufen und sie in eine Kirche verwandeln. Aus brüderlicher Sicht hätten sie nie an der Auktion teilnehmen sollen.“ ALVISE ARMELLINI

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