Totgesagte leben länger, Theresa May ist das perfekte Beispiel für die Redensart. Die britische Premierministerin überlebt im Amt, obwohl sie eine ganze Serie von Niederlagen hinnehmen musste: eine verzockte Unterhauswahl, eine von Illusionen geprägte und deshalb krachend gescheiterte Verhandlungstaktik mit der EU, peinliche Abstimmungsniederlagen im Parlament, eine nur mühsam abgewendete Revolte der eigenen Tory-Fraktion, ein Debakel beim Brexit-Deal im Unterhaus, das nur mit einer Verschiebung verhindert werden konnte – und nun der vergebliche Canossagang nach Brüssel. Wann finden Realitätssinn und der berühmte britische Pragmatismus in 10 Downing Street zurück?
Glaubte May tatsächlich, die EU27 wären angesichts ihrer heimischen Probleme auf der Insel bereit, das mühsam ausgehandelte Brexit-Paket noch einmal aufzuschnüren? Mehr als warme Worte konnte sie ernsthaft nicht erwarten. Nein, es ist Zeit, dass Theresa May ihr Mantra, es dürfe kein zweites Referendum geben, über Bord wirft. Das hybride politische Patt im britischen Unterhaus, wonach es keine Mehrheit für Mays Austritt-Deal, sehr wohl aber eine gegen einen harten Brexit gibt, kann offenbar nur vom Volk aufgelöst werden.
Alexander.Weber@ovb.net