Wer sich bis jetzt nicht an den Gedanken gewöhnen wollte, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, bekommt es jetzt amtlich: Das von der Regierung gestern gebilligte „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ ist das späte Eingeständnis, dass der Standort D im internationalen Wettbewerb ohne signifikante Zuwanderung auch von Nicht-Akademikern nicht wird bestehen können. Es ist ein Manifest der Einwanderungsgesellschaft. Die allerdings muss damit leben, dass es neben der erwünschten Zuwanderung auch eine unerwünschte gibt. Für sie gilt künftig das gleichzeitig verabschiedete „Beschäftigungsduldungsgesetz“, das abgelehnten, aber gut integrierten Asylbewerbern mit Job eine eng umrissene Bleibeperspektive gibt.
Beide Gesetze sind ein Experiment. Es birgt Chancen, aber auch Risiken: Unsere Betriebe brauchen Fachkräfte, auch von außerhalb der EU – aber wir müssen damit rechnen, dass Schleuser auch eine Einwanderung in die Sozialsysteme zu organisieren versuchen werden. Und: Humanität und Klugheit gebieten es, abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber aus der Halbillegalität zu holen – doch die Gefahr ist real, dass dieses Signal weltweit als Ersatz-Einwanderungsrecht (miss-)verstanden wird und als staatliche Kapitulationserklärung, weil, wer es mit dem Codewort Asyl erst mal hierher geschafft hat, so oder so bleiben darf, gleich, ob der Antrag bewilligt wird oder nicht. Das wäre für den Rechtsstaat verheerend.
Die beiden Gesetze sind der Versuch, Chancen und Risiken durch viele schwierige Kompromisse vernünftig auszutarieren. Wer, wie die FDP, nun von Klein-Klein spricht und die Grenzen noch weiter öffnen will für die Wünsche der Wirtschaft, muss sich die Frage gefallen lassen, warum deren Verbände nicht längst Anlaufstellen für Arbeitsmigranten im Ausland geschaffen haben. Der Einwanderungsstaat ist keine Supernanny, die den Unternehmen die Arbeitskräfte gefälligst bis an die Hofeinfahrt zu karren hat, während der Steuerbürger die Lasten und Risiken trägt.
Georg.Anastasiadis@ovb.net