Washington – Senator Lindsey Graham, sonst ein hartnäckiger Unterstützer von Donald Trump, machte am Mittwoch aus seinem Herzen keine Mördergrube. Er sei persönlich vom Präsidenten brüskiert worden, weil der seine Entscheidung zum Syrien-Rückzug über Twitter und die Medien verkündet hatte – und seine Vertrauten in der Partei nicht eingeweiht hatte. Der Rückzug sei zudem „solch eine schlechte Idee“. Wenn Barack Obama dies getan hätte, „wären wir alle darüber ausgeflippt“.
Graham sagt, was Amerikas Konservative, viele Demokraten und auch engste Helfer des Präsidenten von dem überraschenden Schachzug halten. „Wir haben Isis in Syrien besiegt, mein einziger Grund, dort zu sein während der Präsidentschaft“, schrieb Trump auf Twitter. Dass gestern ausgerechnet Russlands Präsident Wladimir Putin dem US-Präsidenten zu dem Schritt gratulierte, hat den Argwohn in Washington noch verstärkt.
Das Pentagon und auch ein Teil seiner Berater seien von der Entscheidung und Verkündung kalt erwischt worden, meldeten gestern US-Medien, während die Führung Israels schon am Montag informiert worden sein soll. Mehrere führende Mitarbeiter Trumps hatten in der Vergangenheit immer wieder die Bedeutung der US-Präsenz in Syrien betont, um den Einfluss Teherans zu begrenzen – unter anderem Sicherheitsberater John Bolton, Verteidigungsminister James Mattis und Außenminister Mike Pompeo.
Die Reaktionen auf dem Kapitol sind harsch. Die wohl schärfsten Worte fand der republikanische Senator Ben Sasse, der den Rückruf der Soldaten mit einer Flucht gleichstellte: „Die Gewinner, die sich jetzt gratulieren, sind der Iran, Isis und die Hisbollah“, erklärte er.
Rund 2000 US-Soldaten halten sich derzeit noch in Syrien auf. Unklar waren gestern der Zeitplan und auch der Umfang des Rückzugs. Trump-Sprecherin Sarah Sanders dementierte, dass bereits ein vollständiger Abzug im Gange sei, und sprach von einer „Übergangsphase“.
Der Präsident selbst betonte nach der ersten Kritikwelle, die Wähler hätten ihn für solche Entscheidungen ins Amt gehoben – man könne nicht weiter der Welt-Polizist sein. Auf Twitter vertrat er zudem die Ansicht, Russland, der Iran und Syrien würden sich – im Gegensatz zu „Fake News“-Meldungen der Medien – nicht über den Rückzug freuen; denn nun müssten sie den IS ohne die USA bekämpfen.
Doch gestern wuchs der Druck auf Trump, die Entscheidung zu überdenken. Steny Hoyer, Mehrheitssprecher der US-Demkoraten im Repräsentantenhaus, sagte gestern unmissverständlich: Der Präsident habe „eine impulsive Entscheidung“ getroffen, die er unbedingt revidieren müsse. F. DIEDERICHS