Eine Kapitulation, die vielen Angst macht

von Redaktion

In Trumps Regierung hat es schon einige Personalwechsel gegeben. Doch die Rücktrittsankündigung von Verteidigungsminister Mattis ist ein besonderer Schock für Republikaner wie Demokraten – und wirft sicherheitspolitische Fragen auf.

VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

Washington – Zwei Jahre lang war Verteidigungsminister James Mattis, der hochdekorierte 68-jährige Marine-General, die wohl berechenbarste Bastion im Kabinett von US-Präsident Donald Trump gegen dessen isolationistische „America First“-Politik. Mattis verteidigte unter anderem die Bedeutung der Nato, als Trump über die Überflüssigkeit des Bündnisses lamentierte und die Kostenverteilung. Doch der Minister hielt dagegen – mit der Kernthese: Amerika werde nur stark sein und seine Interessen wirksam vertreten können, wenn es auf starke und verlässliche Bündnisse setze.

Nun hat Mattis mit einem Rücktrittsschreiben, das Beobachter und Historiker als weitgehend beispiellos in der Geschichte von Verteidigungsministern bezeichnen, vor Trump kapituliert. Die abrupte Kündigung – vom Weißen Haus zunächst als „Pensionierung“ verkauft – schickte Schockwellen durch ein ohnehin nervlich höchst strapaziertes Washington. Ausgerechnet an einem Tag, an dem die Wall Street den tiefsten Kursstand des Jahres erreicht hatte, feuerte der scheidende General mit dem Militär-Spitznamen „Mad Dog“ („Verrückter Hund“) seine letzte Salve gegen den ungeliebten Chef. Dieser verdiene einen Minister, der auf einer Linie mit dem Präsidenten liege – mit diesem Satz machte Mattis klar, wie tief die Differenzen gingen.

Zunächst hatte Mattis wohl aushalten wollen, doch als dann Trump über Twitter den Syrien-Rückzug annoncierte, ohne ihn zuvor informiert zu haben, lief das Fass über. Auch dass nach Berichten von Regierungs-Insidern fast die Hälfte der 14 000 US-Truppen bald aus Afghanistan verschwinden sollen, war offenbar mit Mattis nicht abgestimmt worden.

Für Trump sind die Truppenreduzierungen die Erfüllung eines Wahlkampf-Versprechens, so wichtig wie der bisher nicht realisierte Bau einer Mauer zu Mexiko oder das Aufkündigen ungeliebter Handelsverträge. Bisher hatten Mattis und Volksvertreter im Kongress den Präsidenten vom Rückruf der Soldaten abhalten können – vor allem weil sie fürchten, dass dort ein Machtvakuum entsteht, wo die USA nicht mehr präsent sind. Doch nun hat Trump erneut klar gemacht, dass er sich um die Meinung anderer nicht schert. Er wisse ohnehin mehr als alle Experten über die wichtigsten Politik-Fragen, hatte er in diesem Jahr einmal formuliert.

Selbst enge Verbündete des Präsidenten im Kongress scheinen zu einem Zeitpunkt, wo so ganz nebenbei noch 17 verschiedene Untersuchungen gegen Trump und seine Organisationen laufen, ihre Position der unbedingten Rückendeckung zu überdenken. Senats-Mehrheitssprecher Mitch McConnell äußerte jetzt, er sei erschüttert über den Rücktritt von Mattis, der „ein klares Verständnis unserer Freunde und Feinde hatte“. Sprich: Trump fehlt ein solches.

Besorgnis erregt in der nun verstörten eigenen Partei auch, dass Mattis nur die vorerst letzte Figur hochrangiger Abgänge ist, die zentrale Rollen erfüllten und nicht davor zurückscheuten, dem Präsidenten auch einmal Kontra zu geben. Unter den US-Demokraten war es aber nun der Ausstieg von Mattis, der die heftigsten Emotionen hervorrief. „Dies ist beängstigend“, formulierte beispielsweise Mark Warner, der Wortführer der Demokraten im Senats-Geheimdienstausschuss. Mattis sei „eine Insel der Stabilität im Chaos der Trump-Regierung“ gewesen, so Warner.

Sein republikanischer Senatskollege Marco Rubio, einst bei den Vorwahlen ein Mitbewerber Trumps, fand ebenfalls ungewöhnlich scharfe Worte. Es würden gerade schwerwiegende politische Fehler begangen, schoss er gegen Trump, die „unser Land und unsere internationalen Bündnisse in Gefahr bringen“. Zu den unmittelbar Leidtragenden der jüngsten Entwicklungen zählen Volksvertreter wie der sonst Trump verteidigende, aber diesmal extrem kritische Senator Lindsey Graham auch die Kurden. „Die Kurden jetzt im Stich zu lassen, wird uns später wehtun“, so Graham. Die Terrormiliz IS könnte nun neu erstarken. Trump hatte den IS noch am Dienstag für „besiegt“ erklärt, wenig später aber betont, nun sollten eben andere in Syrien gegen ihn kämpfen. Es war einer jener Widersprüche, die Mattis nicht mehr hinnehmen wollte.

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