Defizit: Schont die EU Frankreich?

Guter Sünder, schlechter Sünder

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Ein schönes Überraschungsei hat Emmanuel Macron der EU-Kommission da unter den Weihnachtsbaum gelegt: Weil er einen zweistelligen Milliardenbetrag braucht, um den Gelbwesten-Volksaufstand unter einem Berg von Geschenken zu begraben, will der französische Präsident 2019 viel mehr neue Staatsschulden aufnehmen, als Brüssel erlaubt – jedenfalls wenn es nach den Maastrichter Euro-Stabilitätsregeln geht. Der (französische) EU-Währungskommissar Pierre Moscovici plädiert bereits für eine großzügige Ausnahmeregelung für Paris. So wie 2016. Damals hatte EU-Kommissionschef Juncker auf die verwunderte Nachfrage, warum Frankreich wieder eine Extrawurst gebraten bekomme, in entwaffnender Ehrlichkeit geantwortet: „Weil es Frankreich ist.“

Es wäre ein schlimmes Signal, wenn die Grande Nation schon wieder damit durchkäme. Erst recht, weil die Kommission am Beispiel Italiens gerade ein gegenteiliges Exempel zu statuieren versuchte. Erst nach monatelangem Krach kam vor wenigen Tagen die Einigung mit Rom. Ist Italiens Populisten-Regierung ein böser Sünder, das Frankreich Macrons aber ein guter, weil man in Paris gut kann mit der Kanzlerin in Berlin? Das würde nicht nur dem Stabilitätspakt den letzten Rest an Glaubwürdigkeit rauben, sondern enorme Zweifel an der Neutralität der Kommission wecken. Anders als Deutschland hat Frankreich die gute Konjunktur seit 2013 nicht genutzt, um seine Schuldenlast preisbereinigt abzubauen. Zu Recht fordert der deutsche Haushalts-Kommissar Günther Oettinger deshalb ein Defizitverfahren. Aber es wäre eine Überraschung, wenn es wirklich dazu käme.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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