Seehofer: „Ich fühle mich erleichtert“

von Redaktion

Horst Seehofer beginnt seinen letzten Monat als CSU-Chef. Für den 69-Jährigen ergibt das einen seltsamen Spagat: In Berlin steht er als Innenminister voll in der Verantwortung. In Bayern aber dominieren nostalgische Töne.

VON MIKE SCHIER

München – Es sind die Tage der letzten Male für Horst Seehofer. Die letzte Vorstandssitzung als CSU-Vorsitzender, die letzte Weihnachtsfeier oder am Freitag der letzte größere Auftritt vor dem Münchner Presseclub. Der 69-Jährige, der seltsamerweise immer so wirkt, als habe er alle Zeit der Welt, strampelt weiter im Hamsterrad des politischen Tagesgeschäfts. Eben hat er den Kompromiss beim Fachkräftezuwanderungsgesetz mit ausgehandelt. Am Freitagmorgen beschäftigt ihn die Sicherheitslage am Stuttgarter Flughafen. Aber sobald Seehofer von Berlin nach Bayern rollt, geht der Blick zurück.

Wer Seehofer in diesen Tagen öfter begegnet, erlebt immer wieder die gleichen Gedanken, die ihn umtreiben. Und erhascht gelegentlich ehrliche Einblicke in sein Seelenleben. Nach zehn Jahren gibt er am 19. Januar den CSU-Vorsitz ab. Er witzelt darüber. „Noch bin ich ja nicht zurückgetreten“, sagt er drohend. Vielleicht halte er beim Parteitag ja eine Rede, gehe zurück an seinen Platz und merke erst dann, dass er etwas vergessen habe. Es ist das alte Seehofer-Spiel. Früher hätten die Journalisten daraus aufgeregte Meldungen gestrickt. Überlegt er es sich anders? Jetzt lächeln die Zuhörer nur milde.

„Es durchlaufen einen verschiedene Stimmungszyklen“, sagt Seehofer dann ernst. Zunächst sei es Wehmut gewesen, dann auch Dankbarkeit für ein erfolgreiches politisches Leben. Und jetzt: Erleichterung. „Verantwortung ist mitunter eine große Last.“ Dann zählt er die großen Schlachten seiner Amtszeit auf. Er erinnert sich, wie der damalige Finanzminister Georg Fahrenschon zu ihm kam und über das Desaster bei der Landesbank berichtete. Er erinnert an die Verwandtenaffäre im Landtag. „Die haben alle schon wieder vergessen – Gott sei Dank.“ Mitten im Wahlkampf 2013 kam ihm deshalb der Fraktionsvorsitzende Georg Schmid abhanden. Zugleich habe er mit Christian Ude „einen starken, einen sehr starken Gegenkandidaten“ gehabt. Trotzdem holte man die absolute Mehrheit.

Seehofer erzählt die Episode nicht ohne eine kleine Gehässigkeit in Richtung des Duos Huber/Beckstein, natürlich ohne einen von beiden namentlich zu erwähnen. 2003 habe die CSU noch ein überragendes Ergebnis gehabt. „Dann haben wir 2008 diese Zwei-Drittel-Mehrheit versemmelt. Das war schon ein besonderer Hammer.“ Seehofer betont dieser Tage immer wieder, die Partei habe sich in dramatisch schlechtem Zustand befunden, als er sie 2008 übernahm. Das hilft für die eigene Geschichtsschreibung: Die 37 Prozent vom Oktober sollen nicht mehr so schlecht wirken.

Und dann passiert eine kleine Rarität. Seehofer gesteht Fehler ein: im Sommer, als er mit der Bundeskanzlerin über die Abweisung von Asylbewerbern an der Grenze stritt. „Da haben wir im Stil und in der Form Fehler gemacht – auch in der Wortwahl.“ Damit schwenkt Seehofer auf die Söder-Linie ein, der sich offensiv vom Wort „Asyltourismus“ verabschiedet hat. Seehofer selbst hatte bisher eher den Strategiewechsel seiner Partei als Fehler bezeichnet. Er habe zu spät erkannt, dass ihn viele, die ihn zu seiner Haltung gedrängt hatten, allein ließen.

Jetzt ist das Kapitel CSU-Vorsitz bald beendet. Wie es wirklich in Seehofer aussieht, kann man nur erahnen. Zur bayerischen Politik äußert er sich nicht mehr, das habe er sich am 14. März geschworen. Am 19. Januar wird er viel Dank und Anerkennung bekommen. Tatsächlich dürfte die Partei ähnlich fühlen wie ihr Noch-Vorsitzender: wehmütig, aber vor allem erleichtert. Zur Klausur der Landtagsfraktion ist Seehofer nicht einmal mehr eingeladen.

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