KOLUMNE

Vier Tage vor Weihnachten

von Redaktion

Auch im 21. Jahrhundert bleiben die Tage vor Weihnachten für Kinder und Heranwachsende eine spannende Angelegenheit. Was einer von ihnen zwischen dem 20. und 23. Dezember erlebte, hat er vor Jahrzehnten seinem Tagebuch anvertraut. Die Einträge des elfjährigen Buben aus Hannover gehören mittlerweile zu den Weihnachtsklassikern:

20. Dezember

Gestern mit Monika (Anmerkung der Redaktion: Schwester) Wohnung durchsucht. Mama war gerade einkaufen. Monika kriegt Rollschuhe und Armbanduhr. Ich kriege Skier und Fußball. Ganz anständig von den Alten. Werden so tun, als ob wir nichts wissen – wegen Überraschung.   Letzte Klassenarbeit – Rechnen 5 große Sch… – werde nichts zu Hause sagen, stört nur Weihnachtsfrieden.   Papa beim Abendessen wieder Vorträge gehalten, wie’s früher war. Nur Mütze, Mensch ärgere dich nicht und Honigkuchenmann zu Weihnachten bekommen – Angeber.   Mit Monika beraten, was Mama schenken. Papa kriegt Papierkorb. Wünscht sich selbst gebastelten. Blödsinn. Kriegt gekauften, sieht aus wie selbst gebastelt und kostet nur 4,50. Soll Papa Weihnachtsfreude machen, Briketts im Keller aufstapeln. Er selbst drückt sich. Immer dasselbe. Ich möchte auch gern erwachsen sein.

21. Dezember

War prima Tag. Tannenbaum mit Papa geholt. Drei Stunden in seiner Stammkneipe. Halbes Hendl gekriegt und Sprudel und Kaugummi. Papa hat fünf Bier getrunken, mitgezählt. Soll nichts Mama sagen. Ehrensache. Muss langes Weihnachtsgedicht lernen, wegen Onkel Paul. Ist Pastor, legt immer einem die Hand auf den Kopf. Ziemlich knickerig, hat mir letztes Weihnachten nur ein frommes Buch geschenkt. Hieß „Der Knabe Aloisius“. An Peter weiterverscherbelt gegen eine alte Wasserpistole.   Was Mama schenken? Vielleicht Topflappen? Hat sie aber schon. Mütter sind schwierig zu Weihnachten.

22. Dezember   Abreibung vom Papa, Krippe auf Kleiderschrank beschossen. Kopf von Josef ab. Soll von Taschengeld neuen Josef kaufen. Mist! Ins Klassenbuch eingetragen, wegen nichts. Mit Peter und Winfried Schlüssel auf Klavier gelegt – machte plärr beim „Vom Himmel hoch“. Nepomuk (Spitzname vom Religionslehrer) furchtbar sauer. Versteht nie Spaß. Was Mama schenken? Hat’s verdient. Nach Abreibung vom Papa mir heimlich Kekse zugesteckt. Prima Frau!

23. Dezember   Der Papa knurrt rum. Tante Lieschen hat geschrieben, will Weihnachten kommen. Hörte, wie Papa von Ziege sprach und Mama pssst machte – wegen uns. Albern, wissen doch, wer gemeint ist.   Spekulatius genascht, sieben Stück. Erwischt. Aber nur von Mama, Papa hätte gleich gebrüllt. Nascht aber selbst. Vor allem Aufschnitt. Einmal allen Schinken aufgegessen. Deshalb auch so dick.

Stöhnt immer beim Schuhe zumachen. Will früher Fußballspieler gewesen sein. Mittelstürmer. War wohl Platzwart. Was Mama schenken? Habe nur 4,50. Wenn ich groß bin, kriegt sie einen Pelzmantel von mir. Andreas

Die an dieser Stelle gewohnte Kolumne von Dirk Ippen erscheint in der Ausgabe am 24. Dezember

Aus dem Tagebuch eines elfjährigen Hannoveraners

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