Alle Jahre wieder ist es soweit: Die Kirchen sind an Heiligabend brechend voll. Wer noch einen Sitzplatz ergattern will, der muss mindestens eine halbe Stunde vor Beginn des Gottesdienstes da sein. Die Menschen stehen dicht gedrängt bis in den Turm und in den Seitengängen. Weil zu Weihnachten auch diejenigen den Weg zur Kirche finden, die sonst einen großen Bogen ums Gotteshaus machen. Weil – Gott sei Dank – in vielen Familien der gemeinsame Gottesdienstbesuch doch noch zum Weihnachtsfest gehört wie Christbaum, Krippe und Gans.
Nachdem es im vergangenen Jahr in einer evangelischen Gemeinde in Essen an der Kirchentür ein regelrechtes Gerangel gab, weil Besuchern der Zutritt zur Christmette erwehrt wurde, werden dort in diesem Jahr kostenlose Eintrittskarten vergeben. Nur mit einem Ticket bekommt man Zutritt zu Gott. Wenn die Bankreihen gefüllt sind, ist Schluss. Stehplätze sind aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt.
Es mag gute Gründe geben, auf eine solche Idee zu kommen. Man kann über Sicherheitsbedenken diskutieren. Es kann vernünftig sein, für den Notfall Fluchtwege frei zu halten. Und ja, man kann auch auf die vielen anderen Gottesdienste verweisen, die an den Weihnachtstagen gefeiert werden und die längst nicht so überfüllt sind, wie die Feiern am frühen Heiligabend. Aber mal im Ernst: Reglementierter Eintritt zu einem Gottesdienst? An Weihnachten? Geht’s noch?
Gedränge gab es schon immer an Heiligabend in der Kirche. Und ist es nicht wunderbar, wenn sich froh gestimmte Menschen abwechseln mit dem Sitzen – eine schöne Geste nicht nur am Fest der Liebe. Wenn es gesteckt voll ist in einer Kirche, zum Abschluss die Lichter verlöschen und „Stille Nacht“ von einer großen Gemeinde geschmettert wird – was gibt es Schöneres? Wie schade, wenn Stehplätze in der Kirche aus Sicherheitsgründen ungenutzt blieben. Die Fülle, die Überfülle, ja selbst das Gedränge in der Kirche, das gehört an Weihnachten doch gerade dazu. Der Eintritt muss frei bleiben, für alle, die kommen wollen.
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