München/Berlin – Die Herren des Rundfunks drehen am Lautstärkeregler. In rascher Folge melden sich kurz vor Silvester Top-Manager der öffentlich-rechtlichen Sender zu Wort und verlangen mehr Geld für ihre Programme. „Ohne eine Beitragsanpassung ist das Qualitätsniveau auf keinen Fall zu halten“, warnte ZDF-Intendant Thomas Bellut am Donnerstag. Der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm legte am Freitag ungewöhnlich scharf nach. Er droht der Politik mit einem Gang nach Karlsruhe.
Wilhelm sagte, falls nicht alle Landtage einer Erhöhung zustimmen sollten, „bliebe als Ultima Ratio die Klärung beim Bundesverfassungsgericht. Dies würde freilich eine jahrelange Hängepartie bedeuten. In dieser Zeit könnte nicht ordnungsgemäß gearbeitet werden“.
Der schrille Jahresausklang zeigt: 2019 könnte der Streit um den Rundfunkbeitrag eskalieren. Die Politik ist sehr zögerlich beim Erhöhen. Bis 2020 ist der Beitrag auf 17,50 Euro pro Haushalt im Monat festgelegt. Im Frühjahr 2019 müssen die öffentlich-rechtlichen Sender der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) mitteilen, wie viel Geld sie für 2021 bis 2024 brauchen. Die KEF macht dann einen Vorschlag zur Beitragshöhe. Die anschließende Entscheidung der Ministerpräsidenten muss von allen 16 Landtagen ratifiziert werden.
Das klingt nicht nach Automatismus und ist auch keiner – eher ein Flächenbrand. Hinter vorgehaltener Hand warnen Politiker parteiübergreifend, die AfD werde voll auf dieses Thema setzen und gegen die Beiträge insgesamt kämpfen. In Bayern hat die AfD bereits ein Volksbegehren initiiert, in Brandenburg hat sich heuer eine Volksinitiative („Genug GEZahlt“) gegründet. Ärger über „Zwangsgebühren“ und Verunglimpfung als „Lügenpresse“ ergeben da eine gefährliche Mischung. Eine „Civey“-Umfrage ergab heuer, dass 42 Prozent der Deutschen gar keinen Beitrag zahlen wollen. Zu höheren Ausgaben sind nur gut fünf Prozent bereit.
Die FDP positioniert sich strikt dagegen. „Maßlos“ nennt Generalsekretärin Nicola Beer die Forderungen der Intendanten: „Wir brauchen eine Verringerung der Senderzahl, eine Strukturreform, die den Namen auch verdient und eine Neudefinition des Auftrags, der Information und Bildung wieder in den Mittelpunkt stellt.“ Oder, wie Vize-Fraktionschef Michael Theurer spottet: Diese Woche habe das ZDF ja noch genug Geld gehabt, „Helene Fischer drei Stunden lang auftreten zu lassen“.
Die anderen Parteien hadern schwer. Bayerns Medienminister Florian Herrmann (CSU) nannte Beitragserhöhungen „Gift für die Akzeptanz beim Bürger“. Das war aber vor der Ministerpräsidentenkonferenz Anfang Dezember. Dort beschlossen die Regierungschefs, sich vorerst bis 21. März zu vertagen. Sie erteilten mehr Geld für ARD, ZDF und Deutschlandradio keine Absage, verlangten aber von den Sendern klarere (Spar-)Konzepte. Deren Reformvorschläge „werden nur als erster Schritt bewertet und entsprechen noch nicht den Erwartungen der Länder“, heißt es im Beschluss, der unserer Zeitung vorliegt.
Vor allem die Länder im Osten, wo die AfD stark ist und im September/Oktober gewählt wird, haben nicht die geringste Lust auf Beitragsdebatten. Auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein bremsen. Hingegen wirbt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder sowie des ZDF-Verwaltungsrats ist, für „eine moderate Beitragsanpassung“. Laut dem Magazin „Capital“ sind wenige Cent unter 18 Euro im Gespräch. Ende Januar soll es ein vertrauliches Treffen von Ministerpräsidenten und Intendanten geben. Als Alternative kursiert ein Indexmodell, wonach der Beitrag parallel zur Inflationsrate steigt. Dies könnte „am Ende ein gangbarer Weg sein“, sagt ARD-Chef Wilhelm.
Der Automatismus brächte für die Sender weniger Geld als erhofft – aber einen Vorteil: Künftige Erhöhungsdebatten unter den Ministerpräsidenten wären entschärft. Die AfD hat bereits angekündigt, sobald sie in einem Land an der Regierung beteiligt sei, werde sie dort den Rundfunkstaatsvertrag kippen „und so das Einstürzen dieses Systems herbeiführen“. (mit dpa)