Juncker liest Europa die Leviten

Was wir jetzt schaffen müssen

von Redaktion

GEORG ANASTASIADIS

Lange haben die Deutschen einem neuen Jahr nicht mehr so bang entgegengeblickt wie diesmal. Für das mulmige Gefühl an der Schwelle zu 2019 gibt es viele Gründe: eine Regierung, die im Krisenmodus verharrt, der Brexit, der globale Handelssturm, und, als ob das noch nicht reichte, zuletzt der Crash an den Börsen. Was hat der stärkste Dezember-Kurseinbruch seit der Depression vor 90 Jahren zu bedeuten? Wissen die Märkte schon, wovon die Politik noch nichts ahnt, wie vor der Subprime-Krise? Experten rätseln. Noch aber gibt es Platz für Zuversicht. Es kann sein, dass sich die Baisse als gesunde Korrektur vorangegangener Übertreibungen erweist, die Rezession ausbleibt und die Kurse 2019 ihren Tiefpunkt finden, um dann wieder zu steigen.

Wie es auch kommen mag: Die Ärmel aufzukrempeln ist besser als verzagen. Berlin hat eine Dekade lang die Früchte des Aufschwungs genossen. Es muss jetzt den Schalter umlegen, wieder darüber nachdenken, wie sich Wohlstand und Sicherheit bewahren lassen. Es gibt viel zu tun: Die löchrige Infrastruktur, die analoge wie die digitale, muss fit gemacht werden für die Zukunft. Dasselbe gilt angesichts wachsender Bedrohungen für die äußere und innere Verteidigungsfähigkeit des Staates, Stichworte Bundeswehr, islamistischer Terror und Cyberkriminalität gegen unsere Betriebe. Weltweit gibt es eine Rückbesinnung auf den starken Nationalstaat. Die USA, Russland und, besser getarnt, China betreiben brutale Interessenspolitik. Der Verzweiflungsanfall von EU-Chef Juncker zum Jahreswechsel über den scheiternden Außengrenzschutz verrät, dass Seehofers Skepsis berechtigt war: In dieser Verfassung ist Europa nur ein Spielball. Und ein Sündenbock, hinter dem nationale Regierungen ihr Nichtstun verstecken.

Wir  Deutsche müssen unsere Zukunft auch selbst gestalten, wenn wir nicht wollen, dass andere Systeme mit Werten, die wir nicht teilen, das für uns tun. Das lässt sich nicht auf den nächsten EU-Gipfel delegieren. Es mag banal klingen, verlangt aber nichts weniger als eine 180-Grad-Wende weg von der großkoalitionären Wünsch-dir-was-Politik seit 2005. Deutschland ist stark, wir können das schaffen. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit, damit anzufangen.

Georg.Anastasiadis@ovb.net

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