Berlin – Das neue Jahr beginnt mit zwei Schockmomenten – und mit Ratlosigkeit. Man habe die Prügelangriffe Asylsuchender in Amberg und die Auto-Attacken eines ausländerfeindlichen Deutschen im Ruhrgebiet „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“, ließ die Bundesregierung am Mittwoch wissen. Es gebe in Deutschland keinen Platz für Extremismus und Intoleranz, egal von welcher Seite.
Tatsächlich sind die beiden Ereignisse sehr unterschiedlich: betrunkene Jugendliche hier, ein offenbar geistig gestörter Mann dort. Was sie verbindet, ist die Frage, wie mit Gewalt auf völlig arglose Menschen umzugehen ist.
CDU-Vize Julia Klöckner sagte im WDR, es sei wichtig, die Taten zu verurteilen, aber „nicht sofort mit einer Keule“ zu kommen. Man dürfe nicht jedem sofort vorwerfen, er mache Stimmung gegen Ausländer oder Stimmung gegen Inländer. „Man muss die Tat als solche begutachten und auch beurteilen.“
Gegen den Autofahrer, der in der Silvesternacht in Bottrop und Essen mit seinem Wagen feiernde Passanten attackiert haben soll, wurde Haftbefehl wegen mehrfachen versuchten Mordes erlassen. Er hatte acht Menschen, auch Kinder, verletzt. Die meisten Opfer stammen aus Syrien und Afghanistan.
Staatsanwaltschaft und Polizei sprachen von einem „gezielten Anschlag“. Die Ermittler gehen davon aus, dass der 50-Jährige aus fremdenfeindlichen Motiven handelte und unter psychischen Problemen leidet. Nordrhein-Westfalens CDU-Innenminister Herbert Reul sprach von einer klaren Absicht, „Ausländer zu töten“. Der Mann habe aus persönlicher Betroffenheit Hass auf Fremde entwickelt.
Nach „Spiegel“-Informationen soll der Mann aus Essen in seiner Vernehmung gesagt haben, die vielen Ausländer seien ein Problem für Deutschland, das er lösen wolle. Ersten Erkenntnissen der Ermittler zufolge solle er unter einer schizophrenen Erkrankung leiden. Der Mann sei mindestens einmal in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen worden.
Das schafft Parallelen zu einem anderen Fall: Auch der Messerstecher von Manchester, der am Montagabend drei Menschen verletzt hatte, ist wegen Anzeichen einer psychischen Erkrankung in Gewahrsam genommen worden. Die Terror-Ermittlungen gegen ihn laufen aber weiter.
Die Angriffe alkoholisierter Flüchtlingen auf Passanten in Amberg befeuern indes die Debatte über den Umgang mit straffälligen Ausländern. „Wenn Asylbewerber Gewaltdelikte begehen, müssen sie unser Land verlassen“, sagte Innenminister Horst Seehofer der „Bild“. „Wenn die vorhandenen Gesetze dafür nicht ausreichen, müssen sie geändert werden.“ Auch Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) betonte, die Täter könnten „kein Verständnis erwarten, sondern nur die volle Härte des Rechtsstaats“. Man setze „alle Hebel in Bewegung“ um die Täter bald abschieben zu können.
Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, Seehofer wolle die Gesetzesänderungen unter anderem zur Verbesserung der Abschiebung von straffälligen Asylbewerbern in den nächsten Wochen vorlegen. Die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg sagte, entsprechende Möglichkeiten seien im Aufenthaltsgesetz ohnehin schon vorhanden. Es fehle an Abschiebehaftplätzen, Personal und Koordination zwischen den Behörden.
Im oberpfälzischen Amberg hatten vier betrunkene Tatverdächtige im Alter von 17 bis 19 Jahren am Samstagabend Passanten unvermittelt geschlagen. Zwölf Menschen erlitten Verletzungen. Die beschuldigten Asylsuchenden stammen aus Afghanistan und dem Iran. Sie sitzen in verschiedenen Gefängnissen in Untersuchungshaft – vor allem wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung.
Seehofer erwecke mit seinen Äußerungen den falschen Eindruck, dass mit straffälligen Geflüchteten „besonders lasch umgegangen werde“, kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei sagte, die Union wolle, „insbesondere mit Blick auf die Durchsetzung der Ausreisepflicht deutlich mehr tun“. dpa/kna