Hat wirklich Schnee die wunderschöne Seeoner Winterlandschaft gezaubert – oder ist es nur die Kreide, von der die CSU bei ihrer Tagung eimerweise zu fressen scheint? Überschwängliche Harmonie-Signale senden die Bayern an die ihr sonst in Hassliebe verbundende CDU. Nie mehr Streit, nur noch Schulterschluss und „Schicksalsgemeinschaft“, koordinierte Wahlkämpfe – ach was!
Die Motivlage ist klar wie Seeons Winterluft. 2019 wird kein friedliches, sondern ein brandheißes Jahr für die Union. Nach einem mäßigen Resultat bei der Europawahl im Mai könnte CDU-Kanzlerin Angela Merkel spätestens an absehbar desaströsen Wahlergebnissen dreier Ost-Landtage im September und Oktober scheitern. Im deutschen Parteiensystem wird es eine Zäsur sein, falls die AfD in Landesparlamenten stärkste Partei wird. Parallel dazu wird in der existenzbedrohten SPD eine innere Unwucht einsetzen, die die Partei am Ende zum Verlassen der Großen Koalition nötigen könnte.
Die Söder-Dobrindt-CSU wird weder diesem Bündnis noch Merkel eine echte Träne hinterherweinen. Sie ist nun anders als 2018 aber in der komfortablen Lage, eine Berliner Umwälzung nicht vorantreiben zu müssen (was letzten Sommer ja auch peinlich scheiterte). Diesmal muss sie nur zuwarten und darauf achten, am Ende nicht selbst als Schuldiger dazustehen. Die Seeoner Sanftmut ist Strategie – mit dem guten Nebeneffekt, der Koalition einige Wochen ein ruhigeres Arbeiten zu ermöglichen.
Christian.Deutschlaender@ovb.net