Seeon – CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lehnt eine Debatte über eine Kanzlerkandidatur der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer zum jetzigen Zeitpunkt ab. Es gebe hierfür zeitliche Abläufe. „Und es ist ja ohne Zweifel, dass eine Parteivorsitzende der CDU auf jeden Fall mal zu denen gehört, die infrage kommen für eine zukünftige Kanzlerschaft“, sagte Dobrindt am Freitag am Rande der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon. Kramp-Karrenbauer will an diesem Samstag mit den CSU-Abgeordneten über die Zukunft der Union sprechen.
Thomas Kreuzer, Chef der Landtagsfraktion, pochte aber auf ein Mitspracherecht seiner Partei. Wenn es einen gemeinsamen Unions-Kanzlerkandidaten geben solle, „muss das Thema zu gegebener Zeit mit der CSU diskutiert werden“, sagte Kreuzer der „Bild“-Zeitung. „Ein Automatismus wird der Bedeutung nicht gerecht.“
Für Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ist Kramp-Karrenbauer erste Anwärterin auf die Kanzlerkandidatur – allerdings sieht auch er keinen Automatismus. „Es ist absolut klar, dass sie den ersten Zugriff hat“, sagte der Christdemokrat dem „Focus“. „Wer sich von der CDU tatsächlich für das Kanzleramt bewerben wird, hängt aber vom Momentum ab, wenn die Kandidatur ansteht.“
Kramp-Karrenbauer hatte sich als Nachfolgerin von Angela Merkel an der CDU-Spitze auf dem Parteitag Anfang Dezember knapp gegen Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz durchgesetzt. Danach hatte sie signalisiert, dass sie sich auch die Kanzlerschaft zutraue. Auch Merz wurde als geeigneter Kandidat ins Gespräch gebracht.
Der Vorsitzende der Thüringer CDU, Mike Mohring, in dessen Bundesland im Herbst ein neuer Landtag gewählt wird, warnte im MDR, einen Streit über die Kanzlerkandidatur der Union vom Zaun zu brechen, sei kontraproduktiv. „Wir wären ja töricht, wenn wir schon wieder den Personalstreit über diese Sachfragen legen würden.“
Mohring lobte die versöhnliche Tonlage bei der CSU-Klausur. 2018 sei noch von Streit zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU geprägt gewesen. In Seeon stelle sich das nun anders dar: „Dass die Bundesvorsitzende der CDU eingeladen wird, dass die CSU einen europafreundlichen Kurs zur Europawahl fährt und wir gemeinsam einen Spitzenkandidaten haben, ist eine ganz neue Sachlage.“
Am Freitagabend wollte Kramp-Karrenbauer nach Seeon kommen und mit den CSU-Abgeordneten auch über die künftige Zusammenarbeit von CDU und CSU im Bund sprechen. Sie bleibt bis Samstag. Der Medienandrang ist gewaltig, schöne Bilder vor tief verschneiter Kulisse sind garantiert.
Auch der Brexit war Thema des Treffens: Am Abend zeigte sich der irische Premierminister Leo Varadkar bei seinem Besuch der Klausur zuversichtlich, dass es doch noch zu einem geordneten EU-Austritt Großbritanniens kommt. Einer der zentralen Streitpunkte bei den Verhandlungen zwischen Brüssel und London ist die Grenze zwischen Irland und Nordirland. Auch hierzu hatte sich die CSU in einem Strategiepapier zum Ablauf des Brexits positioniert: „Der Frieden im Norden Irlands muss immer oberste Priorität behalten. Hier stehen wir fest an der Seite unserer irischen Freunde in dem Bemühen, eine harte Grenze zu vermeiden.“