Rom – „Neues Jahr, neues Glück.“ So sagt man. Für Italiens schillerndes Regierungsbündnis scheint es umgekehrt. Schon in den ersten Tagen des Jahres brodelt es heftig in Rom. Viele, nur mühsam zugekleisterte Widersprüche zwischen den regierenden Parteien Lega und Movimento 5 Stelle (M5S) treten offen zutage.
Jüngster Auslöser ist das humanitäre Drama um das Rettungsschiff Sea Watch vor Maltas Küste. Vize-Premier Luigi Di Maio hatte sich nach Appellen des Papstes und Drängen aus den eigenen Reihen mit dem Vorschlag zu Wort gemeldet, zumindest die Frauen und Kinder an Bord vorübergehend ins Land zu lassen. Italien, so die Strategie, sollte mit dieser Geste des guten Willens nicht als hartherzig dastehen. Die humanitären und medizinischen Bedingungen auf der Sea Watch, der Malta die Anlandung verweigert, werden als katastrophal beschrieben; zudem herrscht im südlichen Mittelmeer stürmische See.
„Nichts da“, fuhr Innenminister Matteo Salvini seinem Koalitionspartner vor laufenden Kameras über den Mund. „Über Migranten entscheide allein ich, nicht der Wirtschaftsminister.“ Wenn man nur einen einzigen Flüchtling aufnehme, so sein Argument, käme auf Italiens Küsten sofort die nächste Welle zu.
Dem Führer der fremdenfeindlichen Lega schlägt Entrüstung entgegen. Die Kritik an seiner eisernen Linie kommt diesmal nicht nur von Opposition und Kirche; auch in Reihen des Koalitionspartners formiert sich Widerstand. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Roberto Fico (M5S), mahnte zur Menschlichkeit. Und Di Maio widersprach: „Über das Schicksal von Flüchtlingen entscheidet nicht allein der Innenminister, sondern die gesamte Regierung.“
Während Salvini seine rechten Ultras fest im Griff hat, steht Luigi Di Maio bei seinen Grillini schwer unter Druck. Die Kritik, zu wenig eigenes Profil in der Koalition zu zeigen und zu nachgiebig zu sein, schwelt seit Monaten. Nun droht noch dem wichtigsten Projekt der Populisten, dem solidarischen Bürgergeld, ein Debakel. Unter dem fiskalischen Druck wird der Gesetzentwurf täglich weiter zusammengestrichen, die Hürden für dessen Bezug erhöht. Am Ende dürfte nur noch eine Art Hartz 4 stehen; die Enttäuschung der Wähler ist vorprogrammiert.
Die Lega hingegen will noch in dieser Woche ihr neues, strenges Sicherheitsgesetz durchs Parlament bringen, das viele Experten für verfassungswidrig halten. Der Text enthält eine umstrittene Liberalisierung des Waffenrechts. Doch auch die Erweiterung der Definition von Selbstverteidigung geht vielen Juristen zu weit. Neu ankommende Migranten werden als Illegale eingestuft.
So manch einer aus Reihen der Grillini hat nun die Nase voll. „Es kann nicht sein, dass in diesem Bündnis der Schwanz mit dem Hund wedelt“, fasst ein Abgeordneter die Stimmung zusammen. Doch bei Parteichef Di Maio und Premier Conte läuten die Alarmglocken: Fiele Salvinis Gesetz im Senat durch, wo die Mehrheit nur ein paar Sitze beträgt, könnte das für die Lega die Sollbruchstelle markieren – ein Ende der Koalition und Neuwahlen.
Glaubt man den Umfragen, wäre die Gelegenheit günstig. Während die 5 Sterne verblassen, könnte Matteo Salvini den Sessel des Premiers erobern. INGO-MICHAEL FETH