Trump an der Grenze

von Redaktion

Ein Ortstermin soll „Krise“ untermauern – doch das Weiße Haus hat Probleme mit den Fakten

Washington – Im Streit mit den US-Demokraten um die Finanzierung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko setzte US-Präsident Donald Trump gestern zur besten Sendezeit auf die Macht einer von den meisten führenden TV-Sendern übertragenen kurzen Ansprache. In ihr wollte er, das machten Trump und sein Vizepräsident Mike Pence vor der Ausstrahlung deutlich, auf die „humanitäre Krise“ und „Krise der nationalen Sicherheit“ (so das Weiße Haus) an der US-Südgrenze eingehen. Mit einem für morgen vermutlich in der texanischen Grenzstadt McAllen angesetzten Besuch will der Präsident zudem das Thema weiter in den Schlagzeilen halten und Handlungsbedarf demonstrieren.

Gleichzeitig kündigte Vizepräsident Pence an, Trump erwäge notfalls die Ausrufung des nationalen Notstands, um die Mauer auch ohne Zustimmung der Demokraten finanzieren zu können. Trump verlangt derzeit rund 5,7 Milliarden Dollar für das Projekt vom Kongress. Rechtsexperten des Weißen Hauses würden dies prüfen, so Pence, eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

Pence war gestern auch wieder wichtiger Teil einer PR-Offensive des Weißen Hauses, um die von Trump propagierte „Krisen“-These an der Grenze zu Mexiko zu untermauern. Der Streit um den Mauerbau – für den nach einem früheren Wahlkampf-Versprechen Trumps ursprünglich Mexiko zahlen sollte – hat mittlerweile zu einer bereits 18 Tage andauernden Haushaltskrise und dem Herunterfahren von Verwaltungen – dem sogenannten „shutdown“ – und einem unbezahlten Zwangsurlaub für viele Beamte geführt. Trump ist es bisher schwergefallen, sowohl in der Öffentlichkeit wie auch bei der Opposition die Notwendigkeit eines Mauerbaus, die nach Zugeständnissen Trumps nun statt aus Beton auch aus Stahlplatten bestehen könnte, zu erklären. Deshalb meldete sich gestern Pence im Sender ABC zu Wort und konstatierte, eine Krise sei „nicht abzuleugnen“.

Der Vizepräsident bezog sich dabei auch auf die Feststellung des Weißen Hauses, Grenzschützer hätten im vergangenen Jahr rund 4000 Terrorverdächtige an der Grenze zu Mexiko gestoppt. Diese Zahl hat sich allerdings als falsch herausgestellt. Sie bezieht sich zum einen auf das Jahr 2017 und nicht 2018. Und: Fast alle dieser Fälle trugen sich auf US-Flughäfen zu, wo Personen, die auf einer „Terror-Warnliste“ gestanden hatten, die Einreise verweigert worden war. Mit der Grenze zu Mexiko haben diese Personen nichts zu tun.

Vizepräsident Pence wiederholte gestern im Vorfeld der Trump-Rede die Behauptung des Präsidenten, frühere Präsidenten hätten Trump gegenüber Bedauern darüber geäußert, nicht schon früher eine Mauer zu Mexiko gebaut zu haben. Die Sprecher aller noch lebenden Präsidenten haben allerdings dementiert, dass derartige Aussagen jemals gefallen sind. Pence versuchte deshalb das Thema zu relativieren – und erklärte, auch die Trump-Vorgänger hätten über die Bedeutung von Grenzsicherung und ein Eindämmen illegaler Einwanderung gesprochen.

Sollte Trump nun tatsächlich den nationalen Notstand ausrufen, um ohne Zustimmung der Demokraten den Mauerbau finanzieren zu können, würde dies nach Ansicht von Beobachtern sofortige rechtliche Schritte der Opposition nach sich ziehen, die dann auch den Obersten Gerichtshof beschäftigen könnten. Dies wiederum würde den „shutdown“ verlängern, der bereits zu empfindlichen Engpässen an Flughäfen, bei der Verwaltung von Nationalparks und bei der Steuerbehörde führt. FRIEDEMANN DIEDERICHS

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