Kreuth/Banz – Die Politik hat manchmal komische Rituale. Letzte Woche zum Beispiel, Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten, rund 100 Journalisten stehen über Stunden frierend und zitternd in der Kälte, um dann für einige Minuten Politiker zu filmen, die frierend und zitternd in der Kälte Statements abspulen. Natürlich könnte man all das auch drinnen aufnehmen, bei behaglichen 22 Grad, da wäre dann aber der Schnee nicht auf den Fernsehbildern.
Die weiße Landschaft ist ein Muss für die Inszenierung der Januar-Klausuren in Bayern. Für einen Ort ist das bitter: Jahr für Jahr tagte die CSU im idyllisch verschneiten Wildbad Kreuth. Die Bilder vom herzoglichen Gebäudekomplex gingen tagelang durch die Republik, enorme kostenlose Tourismuswerbung für die ganze Region. Jetzt kommen die schönen Schneebilder aus anderen Orten: Die CSU-Landesgruppe tagte im Kloster Seeon, die Landtagsfraktion beginnt am Montag ihre Klausur in Kloster Banz.
Kreuth als Ort des CSU-Mythos wird bis auf Weiteres nicht wiederkommen. Seit inzwischen drei Jahren steht der langgestreckte Bau leer. Bisher haben sich mehrere Pläne, das Areal neu zu beleben, aufgelöst. Vor allem ist der Traum, das Wildbad zu einem Sanatorium der Extraklasse auszubauen, geplatzt.
Eigentümer sind die Wittelsbacher, verkaufen wollen sie nicht. Herzogin Helene hatte konkrete Entwürfe für einen Umbau mit einem Investor. Der Kreuther Gemeinderat begleitete das mit einstimmigen Beschlüssen. Ein Bauantrag blieb aber 2017 und 2018 aus. Man verhandle noch, sagte die Herzogin vor einem Jahr. Inzwischen wird im Ort gemunkelt, diese Pläne seien nicht mehr aktuell.
Es wird ja auch von Jahr zu Jahr schwieriger, Kreuth wiederzubeleben. Der Ruf verblasst so schnell wie die alten Bilder von Staatschefs und Kanzlern im Schnee, das Gebäude vor der Bergkulisse verstaubt. Früher hatte die Hanns-Seidel-Stiftung als Pächter jahrzehntelang hohe Summen in den Unterhalt gesteckt. Inzwischen dürfte der Sanierungsbedarf exorbitant sein. Wer die spartanischen Zimmerchen und ihre alten Bäder kennt, ahnt, wie schwierig ein Umbau werden dürfte. Ein Abriss ist verboten – Denkmalschutz.
Die CSU hat sich längst an den neuen Orten eingerichtet, Seeon und Banz sind sogar weniger karg als die Kreuther Räume. Aus der Parteiführung ist zu hören, dass eine Rückkehr wahrscheinlich nie erfolge – wenngleich es natürlich schmerzt, dass die AfD mit einer kleinen Kreuth-Klausur versucht, den Mythos für sich zu kapern. Die Wittelsbacher hätten sich mit der Forderung nach mehr Pacht einfach verzockt, heißt es kühl in der CSU, die sonst mit dem herzoglichen Haus sehr gnädig ist.
Schädlich ist die Entwicklung für den Ort. Zu den zwei CSU-Klausuren kamen neben den insgesamt gut 150 Abgeordneten weit über 100 Journalisten, Mitarbeiter, Referenten, Sicherheitsleute in den Ort, die im Januar dünn gebuchten Hotels blühten zweimal eine knappe Woche auf. „Die Klausuren waren immer ein Highlight“, erinnert sich Bürgermeister Josef Bierschneider. Er will mit der Verleihung des Siegels „Bergsteigerdorf“, der Lasershow zu Silvester und dem Ludwig-Erhard-Gipfel medial auf sich aufmerksam machen.
Kleiner Trost: Kreuth ist mit dem Problem nicht allein. Dem schwäbischen Irsee ergeht es gerade in kleinerem Maßstab ähnlich: Die klamme SPD kehrt dem Kloster heuer den Rücken.
CHRISTINA JACHERT-MAIER, CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER