MIKE SCHIER
Vielleicht ist dies der Moment, noch einmal kurz an David Cameron zu erinnern – jenen Premierminister, der erst die Spaltkraft der Brexit-Debatte unterschätzte, dann kläglich damit scheiterte, das Referendum für seine strategischen Spielchen zu instrumentalisieren, und sich schließlich (ein fröhliches Lied auf den Lippen) nach der Abstimmung aus dem Staub machte. Es war an Theresa May, die Scherben zu kitten, die ihr Cameron hinterließ. Auch sie ist mit ihrer Niederlage nun eine Gescheiterte.
Für Großbritannien, aber auch für die EU ist das eine denkbar schlechte Nachricht. Der Brexit-Deal mit Brüssel hätte wenigstens ein klein wenig Ordnung in das britische Chaos-Projekt gebracht. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Brüssel May jetzt für einen Plan B weitere substanzielle Zugeständnisse macht. Die Iren erwarten – zu Recht! – Brüsseler Verlässlichkeit in der heiklen Grenzfrage. Und zu große wirtschaftliche Zugeständnisse wären für jede der populistischen Regierungen in Osteuropa eine Einladung, sich kurz vor der Wahl zum EU-Parlament die Briten als Vorbild zu nehmen.
Auch ein zweites Referendum wäre nicht das Allheilmittel, auf das manche hoffen. Zumindest nicht für die Briten. Im einst stolzen Empire hat man sich – angetrieben von den längst wieder bedeutungslosen Hasardeuren von Ukip – auseinandergelebt. Die Fliehkräfte nehmen gerade wegen des wachsenden Nationalismus weiter zu. Nordirland und Schottland waren immer gegen den Brexit, in London blickt man verständnislos auf ländliche Regionen. An diesem Unfrieden werden noch Generationen von Cameron-Nachfolgern zu tragen haben.
Mike.Schier@merkur.de