„Nicht den Hetzern hinterherlaufen“

von Redaktion

Es ist ein Kurzbesuch mit langer Anreise: Zwölf Stunden sitzt Arno Kompatscher im Auto, um heute als Gast für ein gutes Stündchen bei der CSU-Klausur in Kloster Banz aufzutreten. Den Südtiroler Landeshauptmann und seine konservative SVP verbindet aber viel mit Bayerns Christsozialen. Wir haben vorab mit dem 47-Jährigen telefoniert. Kompatscher, Sohn eines Dorfschmieds, siebenfacher Vater, Jurist, ist seit 2014 Regierungschef in Bozen. Morgen wird er in seinem Landtag wiedergewählt.

Herr Landeshauptmann, Sie haben gerade bei der Wahl die absolute Mehrheit verloren. Markus Söder auch. Kommen Sie nach Bayern, um sich gegenseitig zu trösten?

Nein. Sowohl die CSU als auch wir haben ein gutes Ergebnis nach Hause gefahren, bei uns deutlich über 40 Prozent. Wie viele Volksparteien in Europa können das von sich noch sagen? Gerade angesichts der Rahmenbedingungen: Auch wir hatten einen neuen Wettbewerber am politischen Markt.

Sind absolute Mehrheiten für Volksparteien für immer Vergangenheit?

Grundsätzlich ist das schon noch möglich. Derzeit gibt es einen Trend hin zu Bewegungen, spontanen Formationen, die großen Zuspruch erhalten, aber ganz schnell auch wieder verschwinden können. Etablierte Parteien tun sich schwerer – dieser Trend kann aber auch wieder umgekehrt werden.

Sie koalieren in Südtirol künftig mit der Lega. Die Unionsparteien hier sagen: Niemals mit radikal Rechten. Wer liegt falsch?

Wir haben in Südtirol eine besondere Situation, nicht vergleichbar. Bei uns schreibt das Autonomiestatut – unsere Verfassung – vor, dass alle Sprachgruppen in der Landesregierung vertreten sind. Die SVP musste also ein Bündnis mit einer italienischsprachigen Partei eingehen. Die Lega ist aus dieser Wahl als ein Sieger hervorgegangen. Mit den anderen Parteien wäre es schon schwierig geworden, auf eine Mehrheit zu kommen.

Wenn Sie nach Rom blicken, auch dort regiert die Lega. Wie lange geben Sie dem Bündnis dort noch?

Totgesagte leben bekanntlich länger. Ich habe schon die Wette gewonnen, dass diese Regierung Weihnachten überstehen würde. Ich denke, dass die Regierung auch über die Europawahlen hinaus bestehen könnte. Ich rechne auch dann noch nicht mit einem Crash.

Sollten konservative Parteien mehr oder weniger über Migration reden?

Ich denke, wir reden genug über Migration, manchmal auch zu viel. Wir sollten bewusster darüber reden, wie die Lage sich darstellt. Vor allem dürfen wir nicht Angst und Panik machen und Hetzern hinterherlaufen.

Sie wollen mit der CSU auch über das Selbstverständnis starker Regionen reden. Ist da ein schmaler Grat zwischen Stolz und Separatismus?

Ja, eine Gratwanderung, in der Tat. Regionale Identität kann in Nationalismus umschlagen. Wir sollten uns bewusst sein unserer Tradition und Kultur, das als Mehrwert verstehen in einer immer beliebiger werdenden globalisierten Welt. Das andere ist, sich abzugrenzen und andere auszuschließen. Das wollen wir nicht.

Die Planung des Nordzulaufs für den Brenner-Basistunnel läuft schleppend. Wünschen Sie sich, dass die Bayern endlich in die Puschen kommen?

Das wünsche ich mir sehr. Es gibt keine Alternative zur Verlagerung des Schwerverkehrs von der Straße auf die Schiene. Dafür braucht es eine leistungsfähige Infrastruktur. Im Süden wird das kräftig vorangetrieben, im Norden leider noch nicht.

Interview: Chr. Deutschländer

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