Kreuth – Weder Glätte noch Kälte hielten sie davon ab, an diesem sonnigen Morgen von München nach Kreuth zu fahren. Und so steht Usa Nolle, 64, nun im dicken Mantel vor einem Gasthaus und verteilt Blätter in Klarsichtfolie. „Omas gegen rechts“, steht darauf, jeder Demonstrant nimmt sich eins. Viele sind sie nicht, etwa ein Dutzend. Nolle sagt: „ein kleines, aufrechtes Häuflein“.
Drinnen im warmen Gasthaus sind sie in der Überzahl. Die AfD-Landtagsfraktion hat sich dort zur Klausur versammelt. Eigentlich wollten die 22 Abgeordneten im Geheimen tagen, zusammenrücken, vielleicht zum Wildbad hochwandern. Das Foto hätten sie der CSU unter die Nase reiben können: Die AfD im heiligen Kreuth. Aber dann kam der Tagungsort durch Recherchen unserer Zeitung doch heraus, und die Wittelsbacher erteilten der Fraktion Hausverbot. Nolle findet das gut. „Die sollten sich hier nicht heimisch machen.“
Es ist das erste Mal, dass sich die AfD-Fraktion zwei Tage am Stück zusammensetzt. Die Aufgaben sind groß: Die junge Fraktion braucht Strukturen, die Einzelkämpfer einen gemeinsamen Kurs. Außerdem sind viele Fragen zu klären: Wer wird fachpolitischer Sprecher – und wofür? Wem fehlen Mitarbeiter? Wie tritt man künftig im Landtag auf? Dass die Erfahrung fehlt, merkt man schon am Ablauf: Bis kurz vor dem Treffen fehlt eine Tagesordnung. Und als es dann eine gibt, hält sich niemand dran.
Überdies gibt es nach wie vor Zweifel, ob die heterogene Gruppe zusammenwachsen kann. Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner ist optimistisch. „Bisher sind es sehr gute Gespräche“, sagt sie. Die Stimmung sei entspannt. Am Dienstagabend gab es Bier – ein paar Stamperl obendrauf. Es soll spät geworden sein. Im Landtag, sagt Ebner-Steiner, müsse man schließlich auch zusammenstehen als „kleine Gruppe unter Feinden“.
Eine der großen Fragen ist, wie sich die AfD im Maximilianeum aufführt. Ist Provokation die Taktik? Oder Zurückhaltung, jetzt, da der Verfassungsschutz die Partei zum Prüffall erklärt hat. Sie rechne mit „einigen Austritten“, sagt Ebner-Steiner. Aber abschrecken lasse man sich nicht. Die Fraktion werde Sachpolitik machen – und manchmal „auf die Kacke hauen“.
Überhaupt sollen die Abgeordneten möglichst viel raus aus dem Parlament und rein ins Land. Die Fraktion will drei VW-Busse kaufen, mit denen Landtagsmitglieder dann „ganz Bayern abgrasen“.
Die Abgeordneten und die Demonstranten sehen sich an diesem Morgen nicht. Dafür kommt der Wirt kurz vor die Tür. Nolle übergibt ihm einen Brief, in dem die „Omas“ ihre Enttäuschung darüber ausdrücken, dass er die AfD beherbergt. „Bitte machen Sie daraus keine Tradition“, steht darin. „Bewahren Sie uns vor weiteren Eiszeiten.“ Er verspricht zumindest, sich den Brief genau durchzulesen.