Berlin/London – Entschlossen wirkt die Kanzlerin und gefasst, als sie am Mittwochmorgen in Berlin vor die Kameras tritt. Etwas Neues zu sagen hat sie aber nicht zum Brexit-Drama. „Wir warten jetzt auf das, was die britische Premierministerin vorschlägt“, sagt sie vor dem Raum 2800 des Bundestags. Dort trifft sich der Auswärtige Ausschuss, und natürlich geht es um die Abstimmungsniederlage von Premierministerin Theresa May und das Scheitern des Brexit-Deals. „Wir haben noch Zeit, zu verhandeln“, sagt Angela Merkel. Kein böses Wort in Richtung London.
„Die Zeit der Spielchen ist vorbei“, sagt Außenminister Heiko Maas, schon etwas zorniger. „Es reicht nicht aus, dass das britische Parlament entscheidet, wogegen es ist.“ Die Briten müssten endlich sagen, wofür sie sind.
Besonders drastisch beschreibt der Unions-Europapolitiker Florian Hahn die Stimmung in Berlin: „Die Abstimmung im britischen Unterhaus ist bedrückend und lässt uns ratlos zurück“, sagt der CSU-Mann. Das sieht in seiner Partei allerdings nicht jeder so. „Starkes Zwischenergebnis in London“, befindet der ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler. „Ich hätte als member of parliament auch gegen das Diktat gestimmt.“ Die Briten verdienten stattdessen mehr Unterstützung.
Sie könnten sie wohl gut gebrauchen. Denn irgendwie scheint auf der Insel niemand so richtig zu wissen, wie es mit dem EU-Austritt weitergeht – weder im Parlament noch in der Bevölkerung. Zu verfahren ist die Situation. Keine 24 Stunden, nachdem das Brexit-Abkommen im Unterhaus krachend durchgefallen war, musste Premierministerin Theresa May gestern Abend einen Misstrauensantrag gegen ihre Regierung überstehen. Dieses Mal galt ihr Sieg als sicher. Trotz des Brexit-Schlamassels will immerhin eine knappe Mehrheit der Briten an Mays Regierung festhalten. 53 Prozent sind einer Umfrage zufolge dagegen, dass die Regierung gestürzt wird, 38 Prozent sind dafür. Sechs von zehn Briten (61 Prozent) sind inzwischen aber davon überzeugt, dass Großbritannien in einer handfesten Krise steckt.
Wer auf Großbritannien und seinen am 29. März geplanten Brexit blickt, ist überrascht, wie wenig Bewegung es gibt. Zweieinhalb Jahre ist die Volksabstimmung her, aber die Fronten zwischen Brexit-Hardlinern und EU-Befürwortern sind nahezu unverändert. Lediglich bei den damaligen Nicht-Wählern gibt es Bewegung – viele bedauern, dass sie sich damals nicht an dem Referendum beteiligt haben. Im Sommer 2016 hatte eine knappe Mehrheit für den Ausstieg aus der EU gestimmt. Allerdings kritisieren nun etliche Briten, dass sie schlecht über die Folgen eines EU-Austritts informiert gewesen seien.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat gestern bereits eine neue Abstimmung gefordert. „Ein zweites Referendum ist die einzige Möglichkeit, dass Schottland als Teil des Vereinigen Königreichs in Europa bleibt“, sagte sie der „Bild“.
Im Ausschuss in Berlin wird auch die Kanzlerin gefragt, was sie nun zu tun gedenke. Nach Angaben von Teilnehmern spricht sie sich gegen Neuverhandlungen des Abkommens aus. Und eine Fristverlängerung? „Eine hypothetische Frage“, sagt Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Erst müsse May sagen, was sie will.