Italiens Populisten blamieren sich

von Redaktion

Von den hochtrabenden Bürgergeld-Plänen der „Fünf Sterne“ bleibt wenig übrig – Es brodelt in der Koalition

Rom – Es hätte wieder so schön werden können wie vor ein paar Monaten. Tolle Bilder für die Nachrichten. Nachdem sie ihr Schuldenbudget verabschiedet hatten, das willentlich gegen die Euro-Kriterien verstieß, waren Premier Giuseppe Conte und seine beiden Vizes Luigi Di Maio und Matteo Salvini auf dem Balkon des Palazzo Chigi erschienen, um sich von den eigenen Anhängern bejubeln zu lassen. Die Stimmung war ausgelassen.

Der Katzenjammer folgte bekanntlich auf dem Fuße; Lega und „Fünf Sterne“ mussten unter dem Druck der EU-Kommission klein beigeben und die Neuverschuldung drücken. Die ist zwar nach Ansicht von Experten noch immer zu hoch, doch für das Prestige der Populisten bei der eigenen Klientel war selbst dieses kleine Entgegenkommen an Brüssel ein herber Rückschlag. Seitdem wird gemurrt. Umso höher lastete der Druck aus den eigenen Reihen auf „Fünf Sterne“-Chef Di Maio. Als Superminister für Wirtschaft, Arbeit und Soziales sollte er mit dem Bürgergeld „Reddito di Cittadinanza“ den großen Wahlkampfhit der Populisten in Gesetzesform gießen – eine Art steuerfinanziertes, staatliches Grundeinkommen für Sozialschwache, Geringverdiener, Minirentner und Arbeitslose. Nicht zuletzt dieses Versprechen hatte die Populisten bei der Wahl im vergangenen März zur mit Anstand stärksten Kraft im Parlament gemacht. Entsprechend hoch waren die Erwartungen der Wähler.

Monatelang wurde an dem Zahlenwerk gedrechselt, immer neue, oft widersprüchliche Details drangen an die Öffentlichkeit. Von 780 Euro pro Person pro Monat sprach Di Maio noch vor wenigen Wochen.

Gestern wurde das Kaninchen dann endlich aus dem Hut gezaubert. Doch was die Regierung vorstellte, unterbot die schlimmsten Befürchtungen ihrer Anhänger. Legt man die unter fiskalischem Druck auf nurmehr sechs Milliarden geschrumpften Mittel auf den ebenfalls stark geschrumpften Kreis der Bezugsberechtigten um, bleiben im Schnitt 140 Euro pro Person und Monat. Die Resonanz ist vernichtend. „Ein Programm zur Förderung der Schwarzarbeit“, kommentiert nicht nur die Tageszeitung „La Repubblica“.

In der Tat fokussiert sich das Bürgergeld primär nur noch auf Arbeitslose. Die Bedingungen sind streng. Wer innerhalb des ersten halben Jahres ein Job-Angebot ablehnt, wird vom Fiskus überprüft. Wer nach dem ersten Jahr Bezug keine Stelle gefunden hat, muss jede Arbeit im Umkreis von 250 Kilometern vom Wohnort annehmen. Die Vermittlung sollen Job-Center nach deutschem Vorbild übernehmen. Nur: Die gibt es bisher gar nicht. Sie müssen landauf, landab erst aufgebaut werden. Und dass angesichts der mageren finanziellen Anreize eine große Mehrheit der Betroffenen lieber in Schwarzarbeit flüchtet, sehen die meisten Fachleute als gesetzt an.

Entsprechend groß ist die Häme bei Medien und Opposition, die Wirtschaftsverbände sind entsetzt. Die Umfragen geben ihnen Recht: Rund 53 Prozent der Italiener lehnen den „Reddito di Cittadinanza“ ab. Nach Lüftung der Einzelheiten dürfte sich diese Zahl weiter erhöhen. Die „Fünf Sterne“ fürchten nun eine Abstrafung bei der Europawahl. Und auf Luigi Di Maio könnte, wenn es zur Abstimmung im Parlament kommt, gar eine interne Revolte zukommen. INGO-MICHAEL FETH

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