London/Brüssel – Jetzt also Plan B. Am 29. Januar sind die britischen Abgeordneten dazu aufgerufen, über eine neue Version des EU-Austritts zu entscheiden. Das kündigte die britische Regierung gestern an. Nur wie dieser Plan B aussehen soll, ist noch das große Rätsel. Premierministerin Theresa May will am Montag darlegen, wie es nach ihrer krachenden Niederlage im Unterhaus weitergehen soll. Inzwischen werden die Vorbereitungen auf einen ungeregelten Brexit am 29. März intensiviert.
Das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen war am Dienstag von der überwältigenden Mehrheit der Abgeordneten im Unterhaus abgelehnt worden. Hoffnungen, dass sich das Parlament nun rasch auf einen Kurs für den EU-Austritt einigt, der auch in Brüssel Zustimmung finden könnte, gibt es bislang kaum. May, die am Mittwochabend ein Misstrauensvotum der Opposition überstand, zeigte sich offen für Nachverhandlungen. Die EU schließt ein Aufschnüren des Abkommens bisher jedoch aus.
Die Premierministerin traf sich inzwischen mit führenden Politikern verschiedener Parteien, um die Chancen für eine Übereinkunft auszuloten. Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour Party lehnt Gespräche mit May ab, solange sie einen ungeordneten Austritt ohne Abkommen nicht ausschließt. May wies diese Vorbedingung zurück. Es sei unmöglich, ein solches Szenario auszuschließen.
Außenminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine intensive Vorbereitung auf einen Chaos-Austritt der Briten an. „Die Wahrscheinlichkeit eines ungeordneten Brexit ist deutlich gestiegen“, sagte er. An die EU-Mitglieder appellierte Maas, ihre Geschlossenheit beizubehalten. Ein ungeregelter Brexit schade allen, vor allem aber Großbritannien. „Wir waren flexibel und sind Kompromisse eingegangen“, sagte Maas. Eine Fristverlängerung schloss er nicht aus. Dafür müsse es aber eine klare Perspektive von britischer Seite geben. Ein neues Referendum oder einen Rückzug von der Austrittserklärung nannte er „Spekulation“.
Der Europäische Gerichtshof hatte im Dezember entschieden, dass Großbritannien den Brexit noch ohne Weiteres stoppen könnte. Eine Zustimmung der übrigen EU-Staaten sei dazu nicht nötig. Bislang zeichnet sich aber nicht ab, dass London diesen Weg beschreiten will.
Der Bundestag beschloss gestern ein Gesetz zur Regelung des Übergangszeitraums nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Es tritt aber nur in Kraft, wenn der britische Austritt vollzogen ist und die bis Ende 2020 geplante Übergangsphase eintritt. Hauptziel ist es, Rechtsklarheit für Bürger und Unternehmer während der Übergangsphase zu schaffen.
Zur Vorbereitung auf ein mögliches Brexit-Chaos Ende März schickt die EU-Kommission jetzt Berater auf eine Tour in alle EU-Hauptstädte. „Wir verbinden unsere eigenen Vorbereitungen mit denen, die die Mitgliedstaaten treffen, diese Arbeit läuft“, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. „Wir lassen es nicht darauf ankommen.“
Der Misstrauensantrag gegen May im Unterhaus wurde am Mittwochabend mit einer Mehrheit von 325 zu 306 Abgeordneten abgelehnt. Corbyn hatte zuvor in einer leidenschaftlichen Debatte vergeblich eine Neuwahl gefordert. Bei einer kurzfristig angekündigten Ansprache am späten Mittwochabend zeigte sich May vor dem Regierungssitz in London einmal mehr kämpferisch. Sie halte es für ihre Pflicht, Großbritannien aus der EU zu führen.