München – Jens Spahn (CDU) hat 2019 noch nicht viel Zeit verschwendet. Organspende, Fettabsaugung auf Kassen-Rechnung, Hebammenversorgung. Beinahe täglich werden gerade die Pläne des Gesundheitsministers öffentlich diskutiert. Und nun hat Spahn den Bohrer auch noch an einem richtig dicken Brett angesetzt: Der Finanzierung der Altenpflege. Wenn die Beiträge zur Pflegeversicherung „nicht immer weiter steigen sollen, dann wird man auch über andere Finanzierungsmodelle diskutieren müssen“, sagt der Minister der „Bild“-Zeitung.
Der Hintergrund: Gerade erst wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte angehoben, da rechnen Experten bereits den weiteren Handlungsbedarf vor. Bis zum Jahr 2045 gehen die Autoren einer Bertelsmann-Studie von einer Steigerung von heute 3,05 (3,3 Prozent für Kinderlose) auf 4,25 Prozent aus. Das wären für ein heutiges Durchschnittseinkommen fast 550 Euro mehr im Jahr.
Warum das so ist, zeigt eine Prognose des Statistischen Bundesamts. Demnach wird die Bevölkerung im Alter zwischen 20 und 65 Jahren von 49,8 Millionen in 2015 auf 43,9 Millionen im Jahr 2035 und dann auf 39,6 Millionen im Jahr 2060 zurückgehen. Dagegen wird es immer mehr 65-Jährige und Ältere geben – 23,7 Millionen im Jahr 2060. Derzeit sind es 17,3 Millionen.
„Die Zahl der pflegebedürftigen Menschen steigt, während die Zahl der Menschen sinkt, die mit ihren Beiträgen den Laden am Laufen halten“, bringt es Kordula Schulz-Asche auf einen Punkt. Für die Pflegepolitik-Sprecherin der Bundestags-Grünen ist deshalb klar, was passieren muss. „Wir brauchen keine Grundsatzdebatte, sondern die Umsetzung konkreter Lösungsvorschläge wie unserer Pflege-Bürgerversicherung“, sagt sie. Verkürzt ist damit gemeint: Alle Bürger sollen unter Anrechnung aller Einkommensarten in einen Topf einzahlen. Zwar besteht schon heute Versicherungspflicht, bei der Erhebung von Beiträgen und Prämien gibt es allerdings Unterschiede zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung, bemängeln die Grünen.
„Wir werden die steigenden Kosten in der Pflege auf Dauer nur finanzieren können, wenn auch Beamte und Privatversicherte in Zukunft Beiträge in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen“, sagt auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
Dass auch Spahn eine solche Bürgerversicherung als neues Finanzierungsmodell vorschwebt darf zwar als nahezu ausgeschlossen gelten. Ansonsten aber lässt sich der Gesundheitsminister bisher nicht so recht in die Karten schauen. Es brauche nun erst einmal eine offene Debatte darüber, was Pflege wert sei, sagt Spahn. „Wir müssen noch mal ganz neu austarieren, was die Familien selbst leisten können und wo sie Unterstützung brauchen.“ Konkreter wird er nicht. „Das ist der Beginn einer Debatte, da möchte ich nicht gleich schon die Ergebnisse vorwegnehmen“, sagt Spahn.
Gedeutet wird Spahns Vorstoß von vielen allerdings als Türöffner für eine stärkere Finanzierung durch Steuern. Einen solchen Zuschuss befürworten auch Grüne und SPD. Genau wie auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Deren Chef Eugen Brysch ruft nun dazu auf, es nicht bei Worten zu belassen. Sein Eindruck: „Grundsatzdebatten in der Pflege hatten wir seit Jahrzehnten mehr als genug.“ mit dpa und afp