London – Wer gehofft hatte, die britische Premierministerin Theresa May würde am Montag bei der Vorstellung ihres Plan B zum Brexit-Deal etwas Neues vorschlagen, wird enttäuscht. Als hätte es die krachende Niederlage ihres mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommens nie gegeben, tritt May am Montag vor die Abgeordneten. Zwar sagt May, es müsse sich etwas ändern am Ansatz der Regierung. Doch wie ernst sie dabei von den Abgeordneten genommen wird, zeigt die Reaktion auf ihr Resümee der Gespräche mit der Opposition. „Die Regierung ist mit einem konstruktiven Geist in diese Gespräche gegangen, ohne Vorbedingungen“, sagt May. Schallendes Gelächter.
May ist weiterhin nicht bereit, von ihren roten Linien abzuweichen. Erneut lehnt sie es ab, einen Brexit ohne Abkommen auszuschließen, wie es die Opposition und einige ihrer EU-freundlichen Abgeordneten fordern. Das sei unmöglich, ohne die Austrittserklärung zurückzuziehen, findet May. In Wirklichkeit, so mutmaßen britische Kommentatoren, will sie den No-Deal-Brexit mit seinen drastischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche nicht als Druckmittel verlieren. Sie hofft wohl darauf, die EU-Befürworter in ihrer Partei und auch einige Oppositionsabgeordnete doch noch auf ihre Seite ziehen zu können.
May kündigt an, sie wolle nun Gespräche mit den Brexit-Hardlinern im Parlament und mit der nordirischen DUP führen. Diese beiden eint die Ablehnung gegen die im Brexit-Abkommen festgelegte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland (Backstop). Das Ergebnis dieser Gespräche wolle sie der EU vorlegen.
Der Backstop sieht vor, dass Großbritannien als Ganzes solange in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung für eine offene Grenze gefunden wird. Kritiker im Parlament fürchten, dass das Land so dauerhaft eng an die EU gebunden werden könnte. Grenzkontrollen auf der irischen Insel wollen alle Seiten vermeiden, um ein Wiederaufflammen des blutigen Konflikts dort zu verhindern (siehe Kasten).
Doch auf offene Ohren dürfte May mit ihren Forderungen in Brüssel kaum stoßen, trotz eines Vorstoßes des polnischen Außenministers, der vorschlug, den Backstop auf fünf Jahre zu begrenzen. Aus Dublin und Berlin kam schnell Widerspruch. Davon halte man nichts. Monatelang hatte man bei den Brexit-Verhandlungen über dem Problem gebrütet.
Die kommenden Tage dürften von einem Machtkampf zwischen Parlament und Regierung geprägt werden. Beobachter mutmaßen, dass May versuchen wird, das Votum über einen Beschlussantrag am 29. Januar zu einer Abstimmung über den Backstop werden zu lassen. Vielleicht lenkt Brüssel ein, wenn eine große Zahl der Abgeordneten, für eine zeitliche Begrenzung stimmt.
Verschiedene Gruppen von EU-freundlichen Abgeordneten im Parlament haben angekündigt, der Regierung teilweise die Kontrolle über den Prozess entreißen zu wollen. In dieser Woche wird mit einer ganzen Reihe von Änderungsanträgen zur Plan-B-Beschlussvorlage für die Abstimmung am 29. Januar gerechnet. Ein Gruppe um die Labour-Abgeordnete Yvette Cooper will einen Brexit ohne Abkommen gegen den Widerstand der Regierung ausschließen. Der konservative Abgeordneten Dominic Grieve will der Regierung für einen Tag die Kontrolle über die Tagesordnung des Parlaments entreißen. Nichts scheint mehr unmöglich.