Berlin – Nach dem ergebnislosen Auftakt der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder drohen Warnstreiks. Die Gewerkschaften riefen die Beschäftigten gestern in Berlin zu ersten Aktionen auf. Als wahrscheinlich gilt, dass noch ab Januar beispielsweise Kitas in den Stadtstaaten bestreikt werden, genauso Universitätskliniken, Ämter und Schulen.
Wenn es von der Arbeitgeberseite weiterhin kein Entgegenkommen gebe, seien auch in Bayern Auswirkungen möglich – beispielsweise bei den Straßenmeistereien, sagt Rolf Habermann, der Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes, unserer Zeitung.
Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Verhandelt wird laut Beamtenbund dbb für eine Million Tarifbeschäftigte der Länder außer Hessen, das eigene Tarifverhandlungen führt. Übertragen werden solle der Abschluss auf rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger. Die Gewerkschaften wollen auch eine Aufstockung um 300 Euro in der Gehaltstabelle für die Krankenpflege. 100 Euro mehr pro Monat soll es für Azubis und Praktikanten geben. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen. Wo der Abstand des öffentlichen Dienstes zur Privatwirtschaft besonders groß sei, sollten die Betroffenen die Verbesserung besonders deutlich spüren, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. „Da geht es um Techniker, Meister, Ingenieure, qualifizierte Fachhochschulabsolventen“, so Bsirske.
„Wir reden im Moment über 17,1 Milliarden, die erst mal noch im Säckel da sind zum Verteilen“, sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach. So hoch seien die Steuerüberschüsse der Länder. Die Gewerkschaftsforderungen kosteten 6,4 Milliarden Euro. Bsirske sagte: „Wir sind in einer Situation anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs, und zwar gestützt auf den Binnenmarktmotor, der sich wiederum einer guten Lohnentwicklung verdankt.“ Dieser Motor müsse angesichts von Brexit und Handelskonflikten stabilisiert werden. Der Fachkräftemangel sei zudem in vielen Bereichen eklatant.
Die Länder lehnen die Forderungen als überzogen ab – und sie rechnen schon ganz anders. „Wenn man das Paket zusammenrechnet, liegt es bei zehn Prozentpunkten in einem Jahr“, sagte ihr Verhandlungsführer, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und amtierender Chef der Länder-Tarifgemeinschaft TdL, über die Forderungen. „Und das ist zu viel.“ Jeder Prozentpunkt mache 1,3 Milliarden Euro aus.
Und sie argumentieren mit ihrem Schuldenberg und dem endgültigen Greifen der Schuldenbremse ab 2020. „Das bedeutet, dass es Vorgaben an die Länder gibt, von ihren 570 Milliarden Schulden etwas zurückzubezahlen“, so Kollatz. „Es muss unter einen Hut gebracht werden, dass wir mehr Leute einstellen wollen (…), das Zweite ist, jawohl, es soll mehr für die Beschäftigten geben und als Drittes: Es muss möglich sein, dem Investitionsbedarf Rechnung zu tragen und dem Schuldendeckungsbedarf.“
Die deutschlandweite Streikwahrscheinlichkeit ist nun hoch – allein, weil solche Verhandlungen kaum ohne Warnstreiks ablaufen, aber auch weil die Positionen dieses Mal besonders weit voneinander entfernt scheinen. Angestrebt wird aber laut Verdi ein Ergebnis am Verhandlungstisch. Beide Seiten wollen am 6. und 7. Februar sowie 28. Februar und 1. März erneut zusammenkommen, dann in Potsdam. dpa/hor