Lindner: Merkel kämpft nicht genug gegen Brexit

von Redaktion

Scharfe Attacken beim FDP-Parteitag – Liberale wählen Beer zur Spitzenkandidatin für die Europawahl

Berlin – Die Spitzenkandidatin ist nicht zu beneiden. Als Nicola Beer beim FDP-Europaparteitag zu reden beginnt, geschieht, was so häufig geschieht, wenn sie sich einem Mikrofon nähert: Es wird laut im Saal. Anwesende unterhalten sich angeregt, während die Generalsekretärin den Leitantrag des Vorstands zur Europawahl vorstellt und sich dabei quer durchs Parteiprogramm ackert. Vom freien Handel über weitreichende Reformen der EU-Architektur bis hin zu mehr Programmen zum Gang ins EU-Ausland ist alles dabei. Ein Zuhörer liest Zeitung, etliche schauen aufs Smartphone.

„Ihr kennt mich“, ruft die 49-jährige Juristin Beer den Delegierten bei ihrer knappen Bewerbungsrede direkt vor der Wahl zu. „Ich bin mehr das mittelalte Kaliber, dafür aber schlacht- und aufbauerfahren.“ Seit 2013 ist sie Generalsekretärin, jemand der viel weiß, es aber selten prägnant auf den Punkt bringt. Sie wird gewählt, mit soliden 86 Prozent, die auch ihr Vorgänger Alexander Graf Lambsdorff 2014 holte. Herausforderer gibt es nicht. „Genau mit der Motivation werden wir das Ding rocken!“

Es rockt jemand anderes. Jubel, dröhnenden Applaus, bekommt eine Frau auf Platz 2: Die 29-jährige PR-Managerin Svenja Hahn aus Hamburg, die auch die liberale europäische Jugendorganisation LYMEC führt und die lautstarken Jungen Liberalen hinter sich hat. Ein wenig ist das aber auch Beers Sieg: Hahns deutlich unterlegene Gegnerin, die Europaabgeordnete Nadja Hirsch, hat sich kurz vor dem Parteitag öffentlich gegen Beer gestellt. Sie erzählte dem „Spiegel“, Beer habe vor einer Abstimmung im EU-Parlament versucht, Einfluss auf sie zu nehmen im Sinne der rechtsnationalen ungarischen Regierung von Viktor Orban. Die Geschichte über die engen privaten Bindungen, insbesondere ihres Mannes, in das Umfeld Orbans kam Beer höchst ungelegen, seither ist Beer in der Defensive.

„Ich habe keinerlei Sympathien für Herrn Orban“ und auch nicht für dessen Ideen von einer „illiberalen Demokratie“, sagte sie nun. Für Beer ist es noch einmal gut gegangen. Auch ihre öffentlichen Zweifel am Zusammenhang von Erderwärmung und extremen Wetterereignissen wie Dürreperioden und Überschwemmungen haben ihr innerparteilich offenbar nicht geschadet.

Wo Beer um Aufmerksamkeit ringen muss, dominiert einer wie gewohnt: Wenn Partei- und Fraktionschef Christian Lindner spricht, wird es still. Der Chef verdammt den Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohle als ideologischen Unsinn und straft die AfD ab: „Eine Partei, die das Europäische Parlament abschaffen will, die sollte zu seiner Wahl gar nicht erst antreten.“

Nebenbei greift Lindner die Kanzlerin an. Er wirft der Bundesregierung vor, viel zu wenig gegen einen ungeordneten Brexit zu tun. Angela Merkel (CDU) sei nach Athen gereist, um eine Abkehr Griechenlands vom Euro abzuwenden, sei aber zu wenig in London gewesen, „um ein Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union zu verhindern“, sagt Lindner. Lindner verwies darauf, dass es in Großbritannien derzeit für keinerlei Option eine Mehrheit gebe. Gerade in dieser Situation müsse Deutschland das Gespräch mit London suchen. „Wir werden es noch bedauern, dass wir nicht genug getan haben, um diesen Brexit zu verhindern.“  dpa/afp

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