Bad Windsheim – Hans-Jochen Vogel ist nicht persönlich anwesend – und hat doch eine Botschaft für diesen denkwürdigen SPD-Landesparteitag in Bad Windsheim. Gleich zum Auftakt wird ein Video Vogels eingespielt, mit dem der 92-Jährige seiner kriselnden Partei Mut machen will. Er redet nicht drumrum, nennt das Landtagswahl-Debakel ein „schlimmes Wahlergebnis“, betont aber dann: „Das Wichtigste ist, dass ihr jetzt nicht den Mut verliert.“ „Stärke und Stolz und geht an die Arbeit“, ruft der einstige SPD-Vorsitzende seinen Parteifreunden zu: „Zerstreitet euch nicht über Schuldvorwürfe.“ Es brauche eine „gewisse Geschlossenheit“.
Ein paar Stunden später tut ihm der Parteitag diesen Gefallen: Natascha Kohnen, seit dem historischen Absturz bei der Landtagswahl auf 9,7 Prozent zeitweise massiv unter Druck, wird für zwei Jahre als Landesvorsitzende bestätigt. Mit 79,3 Prozent fällt das Ergebnis zwar merklich schlechter aus als bei ihrer ersten Wahl 2017. Und doch kann die 51-Jährige unter den aktuellen Umständen damit zufrieden sein. Immerhin hat sie das Landtagswahl-Desaster als Spitzenkandidatin mit zu verantworten. „Ich brauchte ein Ergebnis, das mich arbeitsfähig macht“, sagt sie. Das hat sie bekommen. Nicht mehr und nicht weniger.
Ebenfalls wiedergewählt werden Generalsekretär Uli Grötsch sowie die Partei-Vize Johanna Uekermann und Marietta Eder, alle mit über 80 Prozent. Neuer Parteivize ist zudem der 35-jährige Kandidat für die Europawahl im Mai, Matthias Dornhuber.
Für Kohnen gibt es auf dem Parteitag keinen Gegenkandidaten. Offenbar will sich niemand derzeit diesen Job antun. Andererseits hat sie auch viele Unterstützer an der Parteibasis, die die Niederlage nicht zuerst ihr anlasten, sondern der Performance der SPD im Bund. Deutliche Kritik üben viele Redner vor allem an Berlin, namentlich der Vorsitzenden Andrea Nahles oder Bundesarbeitsminister Hubertus Heil – weil der das bayerische Familiengeld auf Hartz IV anrechnen lässt. Heil sei in die Falle der CSU getappt, lautet die Kritik.
Hinzu kommt: Der Wunsch nach Geschlossenheit scheint groß, trotz allem, oder erst recht. „Die Partei will, dass wir geschlossen daran arbeiten, dass es besser wird, dass es wieder aufwärts geht“, sagt Florian von Brunn, Abgeordneter und Gegenspieler Kohnens. Es sei ein Gebot der Vernunft, jetzt zusammenzuhalten.
An Kritik und Selbstkritik mangelt es dennoch nicht. „Wir müssen viel mehr klare Kante zeigen, daran hat es in den letzten Monaten auch gefehlt“, sagt von Brunn – und verlangt „mehr Mut für einen linken, fröhlichen Populismus“. Juso-Landeschefin Stefanie Krammer klagt: „Wir sind zu vorsichtig, und wir wissen das. Wir haben Angst, klare linke Positionen, die wir haben, auch konsequent nach außen zu vertreten.“
Inhaltlich sind sich derweil eigentlich alle einig: dass die SPD sich wieder als Partei der sozialen Gerechtigkeit, als linke Partei profilieren müsse. Einen „starken und mächtigen Sozialstaat“ fordert Kohnen, und zwar in allen denkbaren Bereichen – von Bildung bis Gesundheit. „Wir müssen den Sozialstaat so stark machen, dass die Menschen ihre Ängste verlieren“, sagt sie. Zu den Hauptgegnern gehören die Grünen, die die SPD als zweitstärkste Kraft im Landtag abgelöst haben. Kohnen geht diese auf dem Parteitag frontal an: Die SPD wolle eine Umweltpolitik, die soziale, ökonomische und ökologische Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichtige – und lästert, manche Probleme ließen sich eben „nicht einfach schicki-lacki“ lösen, so wie es die Grünen machten.
Hans-Jochen Vogel dürfte die weitere Entwicklung weiter sehr genau beobachten. Er hat auch andere Zeiten erlebt. „Ich habe auch Wahlen verloren in Bayern“, sagt er in seiner Videobotschaft – „aber mit 30 Prozent“.