München – Den Ehrenpreis Europas für dezente Diplomatie wird Matteo Salvini wohl nicht mehr bekommen. Will er auch gar nicht. Ganz im Gegenteil. Italiens Innenminister und Chef der rechten Lega weicht derzeit keinem politischen Scharmützel aus, um seine Anhängerschaft zu begeistern. Schließlich sind in Italien bald Regional- und in Europa im Mai Parlamentswahlen.
Die Methode „viel Feind, viel Ehr“ hat Salvini auf seine Fahne geschrieben, und steigende Umfragewerte zeigen, dass sein politischer Rambo-Kurs bei den Italienern gut ankommt. So brüskiert der starke Mann der Regierung in Rom nicht nur seinen deutschen Amtskollegen Horst Seehofer, indem er seit Monaten das fertig ausgehandelte Rückführungsabkommen nicht unterschreibt. Nein, Salvini hat sich einen noch prominenteren Sparringspartner ausgesucht: den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der sei in der Migrantenfrage ein „Heuchler“, weil er einerseits Italien dafür kritisiere, Schiffe mit Mittelmeer-Flüchtlingen aus Afrika nicht anlanden zu lassen, selbst aber seine südfranzösischen Häfen für Hilfsschiffe geschlossen halte, so Salvini. Die Franzosen, empfiehlt er, sollten sich von Macron befreien, weil er ein „sehr schlechter Präsident“ sei. Zudem unterstützt er im Verbund mit seinem schwächelnden 5-Sterne-Koalitionspartner Luigi Di Maio öffentlich die Macron-kritische „Gelbwesten“-Bewegung in Frankreich.
Und Macron? Lernt offenbar dazu, weil er das Spiel mittlerweile durchschaut. Im vergangenen Sommer hatte er auf Attacken Salvinis und dessen Bruder im Geiste, Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, noch mit reichlich Pathos und grimmiger Kampfbereitschaft reagiert: „Und wenn sie in mir den Hauptgegner sehen wollen, haben sie Recht“, rief er den beiden Nationalisten zu. Diesmal lässt er die Nadelspitzen aus Italien einfach abprallen. Am Rande eines Ägypten-Besuchs erklärte er kühl, die Angriffe Salvinis und Di Maios seien „überhaupt nicht interessant. Ich werde nicht antworten. Denn das ist das Einzige, was sie erwarten“, teilte er Reportern vor Ort mit.
Die Konfrontation der romanischen Nachbarn ist umso erstaunlicher, als 2018 eigentlich das Jahr der französisch-italienischen Freundschaft werden sollte. Mit dem „Quirinalsvertrag“ planten Italiens damaliger Ministerpräsident Paolo Gentiloni und Macron das Verhältnis beider Länder auf eine ähnliche Stufe zu heben wie das deutsch-französische. Doch mit dem Regierungswechsel und dem Aufstieg des Duos Salvini/Di Maio kam der politische Wettersturz.
Das französisch-italienische Verbalscharmützel ist nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie fragil das seit Jahrzehnten gewachsene, vermeintlich unzerstörbare Freundschaftsband in Europa geworden ist.
Schon die aggressiven Töne aus England hatten viele verstört, als es im Rahmen der Brexit-Verhandlungen mit der EU um die Zukunft Gibraltars ging. Die Regierung May entsandte nicht nur Kriegsschiffe vor die spanische Küste. Prominente britische Politiker wie der frühere Tory-Chef Lord Michael Howard drohten Spanien unverhohlen mit Krieg, falls das Hoheitsrecht Großbritanniens über den Affenfelsen an der Meerenge zwischen Atlantik und Mittelmeer angetastet werden sollte.
Der Friede in Europa ist alles. Nur kein Selbstläufer.